SuperHerbstSale

Liebe Kundin,
lieber Kunde,

die dunkle Jahreszeit beginnt, die Tage werden kürzer und die Sonnenstunden weniger. Unserem Körper fällt es zunehmend schwerer, Vitamin D³ herzustellen.

Wir haben die Lösung für Sie, um vital und gut gerüstet durch den Herbst zu kommen: Die Extraportion Vitamin D³ PLUS von Orthomed.

Bestellen Sie bei uns ein Produkt aus der Orthomolar-Familie und Sie erhalten KOSTENLOS das Vitamin-D³-Präparat dazu. Außerdem haben wir für Sie exklusive Insumed-Pakete mit der kostenlosen Extraportion Vitamin D³ zusammengestellt.

Klicken Sie bitte hier, um zu den exklusiven Super Herbst Sale Angeboten zu gelangen.

Für detaillierte Informationen zu dem Produkt Vitamin D³ PLUS, klicken Sie bitte hier.

Mit unseren attraktiven Staffelrabatten SPAREN Sie bis zu 15%, denn die behalten beim SUPER HERBST SALE  ihre Gültigkeit.

Haben Sie Fragen? Wir beantworten sie Ihnen gerne unter der Rufnummer
05341 / 55 19 344.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme und gesunde Zeit und verbleibe

mit herzlichen Grüßen
Ihr Kai Degwart

*Gültigkeit:

– nur solange der Vorrat reicht
– Der Super Herbst Sale endet am 26.10.2017
– Barauszahlung und Teileinlösungen sind nicht möglich

Chronifizierung von Schmerzen – an Hand eines Fallbeispiels mit CRPS / Sudeck-Syndrom (ein Fall aus einer interdisziplinären Schmerzkonferenz)

Wir alle kennen die Unterscheidung zwischen akuten und chronischen Schmerzen. Im Allgemeinverständnis unterscheiden sich diese beiden Schmerzarten durch die „Zeitschiene“, wie sie auch festgelegt ist in den Nationalen Versorgungsleitlinien zur Behandlung des unspezifischen Rückenschmerzes (NVL). Die Zeitschiene wird unterschiedlich angegeben; es gibt keine strenge Definition. Die Angaben schwanken zwischen 3 Wochen und 6 Monaten. Der akute Schmerz unterscheidet sich vom chronischen Schmerz durch seine Dauer.

 

Eine andere Bewertungsqualität der chronischen Schmerzen findet sich in dem Begriff der „Chronifizierung“. Die Chronifizierung wird in drei Stadien nach Gerbershagen eingeteilt. Sie beinhaltet nicht so sehr die Zeitdauer der Schmerzen, als vielmehr die Schmerzqualität, die subjektive Wahrnehmung des Schmerzes, die Häufigkeit und Dauerhaftigkeit des Schmerzes, sowie die Verteilung der Schmerzen im Körper.

Typisch für die Chronifizierung ist die Tatsache, dass sich die Schmerzursache von einem Schmerzentstehungsort losgelöst und verselbständigt hat. Die Schmerzempfindung entsteht vielmehr durch Umbauten im zentralen Nervensystem und durch entsprechende Stoffwechselveränderungen: in der modernen Neurophysiologie als „Neuroplastizität“ bezeichnet.

Mit laienhaften Worten: der von dem Patienten (zum Beispiel am Kniegelenk) wahrgenommene Schmerz ist nicht auf Veränderungen am Kniegelenk selbst (z. B. Meniskusriss, Knorpelschaden, Arthrose…) zurückzuführen, sondern wird von dem Patienten wahrgenommen, weil sich neuroplastische Vorgänge im zentralen Nervensystem oder im Gehirn abspielen. Diese Veränderungsprozesse benötigen eine gewisse Zeit zu ihrer Entstehung – insofern ist auch bei der Chronifizierung eine gewisse Zeitschiene von Bedeutung; diese ist aber nicht klar definiert und steht nicht im Vordergrund der Definition bzw. Diagnosestellung.

Bei der Chronifizierung spielt die Schmerzanamnese eine große Rolle, also die Frage, wann und in welchem Zusammenhang die Schmerzen entstanden sind und immer wieder erneut auftreten (Rezidiv). Es werden darüber hinaus aber auch die Häufigkeit der Arztbesuche, vorausgegangene ambulante, stationäre oder sogar operative Behandlungen erfasst.

Und nicht zuletzt: das soziale Umfeld eines Patienten, seine psychosoziale Situation im Privatbereich und im Berufsleben spielen eine große Rolle. Zum Beispiel: Stress, Mobbing, Trennung, Tod von engen Bezugspersonen, Arbeitslosigkeit, Unfälle, Kriegstraumata und andere körperlich und seelische Traumatisierungen, wie z. B. Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch.

Diese anamnestischen Vorereignisse führen häufig bei Patienten zu schweren und signifikanten psychischen und psychosomatischen Konfliktsituationen, die dann – wenn diese Problematik im Vordergrund steht – primär in die Hand eines Psychotherapeuten oder Psychiaters gehören. Eine begleitende psychomedikamentöse Behandlung erscheint in vielen dieser Fälle – zumindest vorübergehend – als wünschenswert und sinnvoll.

Die oben geschilderten Chronifizierungsprozesse laufen häufig bei Patienten ab, die im weitesten Sinne „Probleme“ mit der Wirbelsäule haben. Darüber hinaus ist häufig festzustellen, dass es sich um Patienten handelt, die viele verschiedene Krankheiten zu gleicher Zeit haben (Polymorbidität). Typisches Erscheinungsbild: wahrnehmungsmäßig sind diese Patienten voll durch ihre Krankheiten, Arztbesuche, therapeutische Sitzungen…besetzt. Ihr Denken kreist nur um ihre Krankheit. Auch zeitlich opfern sie einen großen Anteil ihres Alltags der Beschäftigung und Bewältigung (?) ihrer Schmerzen. Dadurch sinkt gleichzeitig ihre Arbeitsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit. Müdigkeit bis hin zur Depression stellt sich ein. Ein Circulus vitiosus aus dem nur schwer herauszukommen ist!

Wie oben dargestellt ist zur Behandlung dieser polymorbiden und psychosomatischen Gesamtkonstellation nur eine multimodale, interfakultative, polypragmatische Therapie sinnvoll und zielführend. Die psychosomatische und psychovegetative Komponente darf bei diesen Patienten nicht außer Acht gelassen werden – eine gleichzeitige (medikamentöse) antidepressive Therapie ist in vielen Fällen notwendig und sinnvoll.

Fallbeispiel: CRPS- / Sudecksyndrom

Sturz einer Patientin auf die Hand mit Handgelenksbruch (Radius). Der in Fehlstellung befindliche Bruch wird reponiert. Bleibt in guter Stellung und in Gipsimmobilisation stabil, so dass nicht einmal ein operativer Eingriff notwendig ist. (Heute werden distale Radiusfrakturen häufig mit winkelstabilen Plättchen und Schräubchen versorgt. Dieses zusätzliche operative Trauma war in diesem Fall nicht notwendig.) Anfänglich normaler weiterer Verlauf bei typischer Gipsruhigstellung, bis dann die Patientin bemerkte, dass sie trotz antientzündlichen Schmerzmitteln und Ruhigstellung nicht wirklich schmerzfrei wurde. Nach Gipsentfernung zeigte sich eine noch immer mäßige Schwellung des Unterarmes und der Hand. Keine Taubheit, jedoch leichte Empfindungsstörungen bis hin zu einer Überempfindlichkeit der Hand. Leichte Verfärbung der Haut. Temperaturunterschied im Vergleich zur Gegenseite. Noch keine Glanzhaut.

In der Röntgenaufnahme zeigte sich eine leichte Entkalkung des Knochens, die jedoch nicht eindeutig als pathologisch definiert werden konnte, da es durch die reine Ruhigstellung und den Mindergebrauch des Unterarmes und der Hand ebenfalls zu Entkalkungen des Knochens kommen kann. Die für ein CRPS- / Sudecksyndrom typische „fleckige“ Entkalkung des Handknochens kann zu diesem Zeitpunkt (häufig) noch nicht gesehen werden.

Die kernspintomographische Untersuchung zeigte neben der Aktivität im Frakturbereich deutliche Entzündungszeichen in den Weichteilen und teilweise auch im Knochen. Dies sind für das CRPS- / Sudecksyndrom typische Veränderungen – sie haben nichts mit einer bakteriellen Infektion zu tun!

Bei weiteren Röntgenkontrollen zeigte die Fraktur in relativ normalem Zeitraum von ca. 6 Wochen eine gute Heilung – jedoch die subjektiven Beschwerden der Patientin bildeten sich nur sehr langsam (bis gar nicht) zurück: Schwellung, Sensibilitätsstörungen, Funktions- und Bewegungseinschränkung, und weiterhin Schmerzen! (Teilweise in Ruhe, insbesondere aber bei Bewegung und Belastung.) Die Schmerzstärke schwankt über den Tagesverlauf hinweg sehr stark. Teilweise auch nächtliche Schmerzen. Hand und Unterarm sind in diesem Stadium nicht gebrauchsfähig.

Fazit: Es handelt sich um ein typisches CRPS- / Sudecksyndrom bei Chronifizierung des Schmerzgeschehens.

Die Behandlung einer solchen Störung ist sehr komplex: antientzündliche, analgetische Medikamente. Antidepressiva / Antiepileptika. Vorsichtige Krankengymnastik und physikalische Therapie. Keine forcierte Bewegungstherapie, sondern nur vorsichtige Mobilisation. Ggfs. vorsichtige Lymphdrainage und milde Wärme / Eistherapie. Ausschaltung der psychovegetativen Regelmechanismen durch verschiedene Formen von psychisch wirkenden Medikamenten. Erlernen von „mentalen Entspannungtechniken“.

Zeit und Geduld, Compliance und „positiven Denken“ sind von eminenter Bedeutung.

Auf drei spezielle Therapiemodalitäten soll gesondert hingewiesen werden:

  1. Es gibt spezielle Injektionstechniken, die das sympathische / parasympathische  Nervengeflecht positiv beeinflussen. Diese Injektionsstellen befinden sich für den Arm im Bereich der Halswirbelsäule (Ganglion-stellatum). Für die untere Extremität im Bereich der Lendenwirbelsäule ca. auf Höhe des 3. Lendenwirbelkörpers (ebenfalls sympathisches Ganglion). Die Injektionen mit Lokalanästhetika, ggfs. unter Kortison-Zusatz (off-label-use) führen zu einer Blockade und dadurch Normalisierung des nervösen Imput in die befallene Extremität, und somit zu einer Heilung der gestörten trophischen, neuroregulativen und Stoffwechsel bedingen Prozesse.
  1. Verschiedene Medikamente, die primär zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt werden, können auch beim CRPS- / Sudecksyndrom zu einer Normalisierung des Knochenstoffwechsels führen und damit das sogenannte Knochenödem (Bone bruise) beseitigen.
  1. Spiegeltherapie: Zwischen die gesunde und die erkrankte Extremität wird ein Spiegel gestellt, so dass dem Patient bei Bewegung seiner gesunden Hand vorgegaukelt wird, dass sich die erkrankte Extremität bewegt. Und dies ohne Schmerzen! Und insbesondere mit der illusorischen Wahrnehmung, dass die schmerzfreie Beweglichkeit auf der betroffenen schmerzhaften Seite möglich ist. Dies stellt einen wichtigen Lernprozess im Zentralnervensystem bzw. Gehirn dar, so dass sich die neuroplastischen Vorgänge auf diesem Weg zurückbilden können.

Der oben geschilderte Fall ist nur ein Beispiel von vielen Möglichkeiten, wo und nach welchen Ereignissen Sudeck-Syndrome auftreten können. Wir werden in einem späteren Artikel auf dieses Thema zurückkommen.

Soviel sei jedoch an dieser Stelle verraten: die betreffende Patientin, deren Schicksal oben dargelegt wurde, ist nach einer ca. 4-monatigen Behandlung jetzt nahezu beschwerdefrei. Die Hand ist wieder funktionstüchtig. Es bestehen nur noch endgradige Bewegungseinschränkungen. Die oben dargelegte Therapie wurde im vollen Umfang für die Patientin eingesetzt und führte somit zu einem guten Erfolg – wenngleich auch nach einer langen Behandlungsdauer. Geduld ist gefragt (s.o.)!!

Dr. med. Peter J. Kaisser

Differenzierte Behandlung der Kreuzschmerzen auf der Grundlage von Evidence based medicine (EBM) und Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL)

Wir werden uns in Zukunft damit auseinandersetzen müssen, dass auf Grund der Evidence based medicine (EBM) und der darauf basierenden Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) ein Paradigmenwechsel in der Diagnostik und Therapie von Krankheiten eintreten wird. Unnötige diagnostische und therapeutische Maßnahmen sollen somit verhindert werden – natürlich auf dem Boden des kostenbewussten Umgangs mit den begrenzten finanziellen Ressourcen in unserem Gesundheitssystem. Aber auch in Bezug auf die Begrenzung der Invasivität diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, was letztlich dem Patienten zu Gute kommen soll. Von Vielen wird dies als „Kochbuch-Medizin“ betrachtet. In Wahrheit: es stellt natürlich eine Begrenzung der Erfahrungsmedizin, der Therapiefreiheit und der Heuristik dar.

Wenn wir uns über Diagnose und Therapie von Kreuzschmerzen unterhalten wollen, müssen wir natürlich die Anatomie im Auge behalten – und damit die pathologischen Veränderungen an den Bewegungssegmenten der Wirbelsäule: Bandscheiben, Wirbelkörper, Zwischenwirbelgelenke (Intervertebralgelenke / Facettgelenke) und den Zwischenwirbellöchern (Intervertebralforamina). Hier finden wir Bandscheibensinterung, Facettgelenksarthrose, Wirbelgleiten, Einengung des Wirbelkanals und der Intervertebralforamina (Spinalstenose), Bandscheibenvorfälle, arthrosebedingte Zysten. Aber auch Veränderungen an dem verlängerten Rückenmark und den durch die Intervertebralforamina in die Peripherie gehenden Nervenwurzeln (z. B. Ischiasnerv).

Und: Alle diese anatomischen Strukturen sind mit Muskeln, Bändern und Sehnen verbunden.

Alle anatomischen Strukturen: Knochen, Gelenke, Bandscheiben, Muskeln, Sehnen, Bänder können Schmerzursache sein und bedingen sich in ihrer Schmerzentstehung häufig gegenseitig.

Aber viele Schmerzen sind primär dysfunktionell (Funktionsstörung) – und weniger anatomisch bedingt.  Deshalb sind viele Kreuzschmerzen eher „nicht spezifisch“ (85%) im Gegensatz zu den sogenannten „spezifischen“ Kreuzschmerzen (15%).

Der nichtspezifische akute Kreuzschmerz ist definiert als ein Schmerz im Rückenbereich, unterhalb des Rippenbogens und oberhalb der Gesäßfalte, mit oder ohne Ausstrahlung in das Gesäß oder in die Beine – ggfs. eine eher diffuse Ausstrahlung!!

Beim nichtspezifischen akuten Rückenschmerz handelt es sich um einen Schmerz, der „keine spezifische Ursache“ hat.

Um den nichtspezifischen und spezifischen Kreuzschmerz gegeneinander abzugrenzen, gibt es die sogenannten Red flags. Und um den akuten vom chronischen Kreuzschmerz abzugrenzen gibt es die sogenannten Yellow flags.

Red flags:

Hier bestehen als Schmerzursache z. B. Frakturen, Tumore, Infektionen oder sogenannten Radikulopathien / Neuropathien, wie wir sie beim Bandscheibenvorfall, bei der Spinalstenose mit der typischen Schmerzstraße und dermatombezogener Taubheit in den Beinen kennen. Aber auch Schwäche, Lähmung, sogenannte Caudasymptomatik (Blase- und / oder Darmentleerungsstörungen).

Yellow flags:

Sie beinhalten psychosoziale Risikofaktoren, wie z. B. Depression, Hoffnungslosigkeit, Katastrophisierung, negativer Stress, Angst und Vermeidungsverhalten, psychopathologische oder psychosomatische Störungen.

Weitere Risikofaktoren sind vorhanden: z. B. bei Schwerarbeitern, insbesondere Arbeiter, die in monotoner Zwangshaltung arbeiten müssen, bei Patienten mit geringer beruflicher Qualifikation und gleichzeitiger Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, Arbeitsplatzverlust. Mobbing. Patienten mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen und/oder multikausaler Genese (Polymorbidität).

Zahlreiche medizinische Forschungs- und Berufsverbände haben gemeinsam die sogenannten Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) entworfen, die für den Normalfall die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bei einem Patienten festlegen. Die Versorgungsleitlinien basieren auf vielen wissenschaftlichen Untersuchungen, die auf ihre Wertigkeit und Aussagekraft hin überprüft wurden. Und sie basieren auf vielen wissenschaftlichen Statistiken zur Berechnung der Effektivität und Aussagekraft von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen: die sogenannte „Evidence based medicine“.

So wird beim nichtspezifischen akuten Kreuzschmerz entsprechend der Nationalen Versorgungsleitlinien empfohlen, dass in den ersten Wochen bei einem Erstereignis keine routinemäßigen bildgebenden Verfahren eingesetzt werden, wie z. B. Röntgen, Kernspintomographie und Computertomographie.

Nur bei Existenz der Red flags, bei länger anhaltenden subakut oder chronischen Schmerzen, bzw. bei Therapieresistenz oder sogar Verschlechterung trotz leitliniengerechter Therapie soll Röntgen, Kernspintomographie, Computertomographie, Szintigraphie ggfs. PET oder NMR – Myelographie eingesetzt werden.

Und ähnliche Leitlinien bestehen für die Therapie des nichtspezifischen akuten Kreuzschmerzes (NVL! EBM!). Diese Leitlinien beinhalten primär die Motivierung des Patienten zur weiter aufrechtzuerhaltenden körperlichen Aktivität. Patienten werden zusätzlich durch die Tatsache motiviert, dass es sich um ein ausgesprochene günstige Prognose handelt, so stark der Schmerz im Augenblick auch sein mag. Schonung ist „falls notwendig“ angesagt! Bettruhe soweit irgend möglich jedoch zu unterlassen!! Ggfs. kurzfristige Stufenbettlagerungen zur Entlastung der Wirbelsäule – die körperliche Aktivität ist im Rahmen des bestehenden Schmerzes jedoch immer vorzuziehen. Auch Krankengymnastik wird nur bei subakuten und chronischen Schmerzen empfohlen; Manuelle Therapie, ggfs. auch bei akuten Schmerzen.

Immer wieder wird die Edukation des Patienten in den Vordergrund gestellt: Motivation zur Eigentherapie, Rückenschulung, Erlernen von wirbelsäulenfreundlichem Verhalten, Prävention, regelmäßiges Training der Bauch-, Rücken- und Gesäßmuskulatur, Einsatz von wirbelsäulenfreundlichen Büromöbel…

Nicht evidence basiert für den nichtspezifischen akuten Kreuzschmerz sind Laser, Akupunktur, Tens-Gerät, Magnetfeld, Massagen….

Auch die medikamentöse Behandlung ist bei dem  nichtspezifischen akuten Kreuzschmerz sehr begrenzt: ggfs. NSAR (Ibuprofen, Diclofenac), nicht-opioide Analgetika (Paracetamol, Metamizol) ggfs. Cox 2 Hemmer (Arcoxia, Celecoxib), ggfs. Opioide (Tramadol / Tilidin – N). Ggfs. Keltikan forte und Vitamin B.

Auch werden in der ersten Akutphase des nichtspezifischen Kreuzschmerzen Muskelrelaxantien eher nicht eingesetzt!

Auf die Verordnung als Generika ist zu achten!

Unabhängig von Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) und Evidence based medicine (EBM) wird von fachärztlicher Seite empfohlen, dass der Patient nach ca. 2 Wochen (spätestens nach 6 Wochen Therapieresistenz) vom Hausarzt zum Facharzt, ggfs. zum Schmerztherapeut überwiesen wird, um dort nochmals die Red flags und Yellow flags abzufragen. Zu hinterfragen ist ebenso, inwieweit es sich um einen spezifischen Kreuzschmerz oder einen bereits chronischen Schmerz bzw. eine Chronifizierung des Schmerzgeschehens handelt.

Hierzu bedarf es einer Differenzierung der Symptome, einer differentialdiagnostischen Untersuchung, insbesondere auch einer exakten Erhebung eines neurologischen Status, ggfs. mit EMG, NLG, SSEP. In diesem Stadium sind spätestens dann auch die bildgebenden Verfahren wie Röntgen, NMR, CT, PET, Szintigraphie… – je nach Bedarf einzusetzen.

Zur Behandlung des spezifischen Kreuzschmerzes werden dann gezielt (delordosierende) Krankengymnastik, Isometrik verordnet. Anleitung zur Eigentherapie durch den Patienten selbst! Edukation / Rückenschule / Muskeltraining der Bauch- und Gesäßmuskulatur.

Die schmerztherapeutische Behandlung erfolgt wie beim akuten nichtspezifischen Schmerz, jedoch breiter verordnet und höher dosiert. Antiphlogistika (NSAR). Analgetika. Opioide. Flupirtin / Muskelrelaxantien. Neurotrope Vitamine / Vitamin B / Keltikan forte.

Auch sind im Rahmen dieser Behandlung die sogenannten „wirbelsäulennahen Injektionen“ indiziert: Periduralinjektionen, Wurzelblockaden, Facettinfiltrationen, Sympatikusblockaden (Ganglion stellatum-Blockaden), Injektion der Ramus communicantes.

Primär können diese Infiltrationen ohne bildgebende Verfahren durchgeführt werden: dies ist eine Methode, wie sie von der IGOST und von Professor Krämer in Bochum inauguriert und gelehrt wird: diese Injektionen können ambulant durchgeführt werden. Anhand von bestimmten knöchernen Markierungen (landmarks) an Becken und Wirbelsäule können sie treffsicher appliziert werden – so dass im Normalfall keine Bildgebung und kein stationärer Aufenthalt notwendig sind. Diese Methode ist wesentlich preisgünstiger, erspart den Patienten einen stationären Aufenthalt, und bedeutet keine Strahlenbelastung: weder für Patient noch für den behandelnden Arzt.

Nur wenn zur exakten Lokalisation der Schmerzursache oder aus anderen Gründen eine 100%ig exakte Nadellage notwendig ist (wie z.B. zur Denervierung kleiner Schmerznerven an den Intervertebralgelenken) – dann können bildgebende Verfahren wie Röntgenbildwandler, Computertomographie oder Kernspintomographie eingesetzt werden.

Weitere therapeutische Maßnahmen beim spezifischen, chronischen oder chronifiziertem Kreuzschmerz sind die Gabe von Antidepressiva, Antiepileptika, Psychotherapie, Verhaltenstherapie, Gewichtsreduktion – die sogenannte multimodale Schmerztherapie.

Neuere Verfahren wie Neuromodulation, Epiduroskopie, Epiduralkatheter sollen hier ebenfalls erwähnt werden. Viele dieser Maßnahmen sind auf der Basis einer ambulanten Behandlung möglich, werden aber von vielen Kassen nicht adäquat vergütet, so dass eine wirtschaftliche Erbringung dieser Leistungen von vielen Institutionen nur stationär angeboten wird. (Dies ist wiederum ein Beweis dafür, wie der Versuch der Einsparung in der ambulanten Medizin durch Ausweichen auf stationäre Behandlungen kläglich scheitert!)

Operative Verfahren zur Therapie des spezifischen und chronischen Kreuzschmerzes sind als „ultima ratio“ anzusehen. Hier kommen Dekompressionsoperationen zur Erweiterung des Spinalkanals und der Intervertebralforamina in Frage. Diese können kombiniert werden mit interspinösen Spreizern, was in der Literatur immer wieder kontrovers diskutiert wird. Darüber hinaus bieten sich Versteifungsoperationen der Wirbelsäule an, die jedoch in jedem Fall nur bei zwingender Indikation, bei ausreichend großem Leidensdruck, bei vollständiger Ausreizung aller konservativer Behandlungsmöglichkeiten indiziert sind. Ebenso besteht eine strenge Indikationsstellung für die Implantation künstlicher Bandscheiben im Bereich der LWS (und HWS).

In jedem Fall ist zu beachten, dass die Operationsindikation bei Patienten mit einer bestehenden Chronifizierung (nach Gerbershagen) sehr streng und sehr vorsichtig zu stellen ist, und der behandelnde Arzt seine gesamte Erfahrung einbringen muss, um – zusammen mit dem Patienten und ggfs. seinen Angehörigen – zu entscheiden, ob trotz Chronifizierungen, die Operation eine ausreichende Chance zur Beschwerdeerleichterung oder sogar zur Beschwerdebefreiung hat.

Inwieweit sich die oben genannten Leitlinien in der Zukunft bewähren, hängt sehr stark von der Akzeptanz unserer Patientin ab: sowohl Ärzte wie Patienten sind in unserer Gesellschaft auf „aktives Handeln“ programmiert. Viele meiner Patienten sind mehr als verwundert, wenn im Falle eines akuten unspezifischen Rückenschmerzes und als „Erstereignis“ keine Röntgenaufnahmen gemacht werden und keine Injektionstherapie angeboten wird – häufig Situationen, wo der Patient sich in seinen Schmerzen nicht ausreichend ernstgenommen und „unterversorgt“ fühlt – und deshalb vielleicht am nächsten Tag einen Kollegen aufsucht, der dann dazu gedrängt wird, Röntgenaufnahmen und / oder Kernspintomographie durchzuführen!! (Ergeben sich dort dann pathologische Veränderungen, fühlt sich der Patient bestätigt, dass der Erstbehandler ihn falsch behandelt und beraten hat – unabhängig von der Frage, ob die im Röntgen und im Kernspintomogramm zu sehenden pathologischen Veränderungen Schmerzsache sind oder nicht!

Quod erat demonstrandum.

Dr. Peter J. Kaisser

Paradigmenwechsel in der Medizin

Auf dem gesellschaftlichen Hintergrund  der demographischen Entwicklung (Methusalem-Komplex/Frank Schirmacher) sowie der erhöhten Aktivität – auch im höheren Alter – wird unser Gesundheitssystem mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Höheres Alter und höhere Aktivität bedeuten mehr Erkrankungen und mehr Verletzungen. Insbesondere der ältere Anteil unserer Bevölkerung hat die berechtigte Erwartung an eine hohe und akzeptable Lebensqualität. Wir alle – Ärzte und Patienten – haben eine übersteigerte „Machbarkeitserwartung“. Und auf Grund der gesellschaftlichen Entwicklung fehlen heute die Familienverbünde; Einzelhaushalte stehen im Vordergrund. Die Alten sind nicht mehr familiär versorgt und betreut.

Die zeitgemäße Entwicklung der operativen Medizin beinhaltet schonende Operations- und Anästhesieverfahren: Kurze postoperative Immobilisation, rasche und effektive postoperative Rehabilitation. Die operativen Eingriffe sind weniger traumatisch – also Gewebe schonend!

Beispiel:

Frakturen werden nicht mehr lange ruhiggestellt, sondern osteosynthetisch mit winkelstabilen Platten und künstlichen Gelenken versorgt. Der operative Eingriff ist relativ „schonend“, die postoperative Behandlung dahingehend erleichtert, dass keine langwierige Immobilisation notwendig ist. Viele operative Eingriffe können ambulant durchgeführt werden. Die rasche Mobilisierung und ggfs. sogar Belastung der operierten Extremitäten führt zu wesentlich weniger Bettlägerigkeit und Muskelschwund. Thrombosen und Embolien sind sehr viel seltener geworden. Die Chancen für eine rasche Rehabilitation sind deutlich erhöht.

Viele Eingriffe werden mit schonenden Zugängen und häufig „endoskopisch“ durchgeführt. Es entstehen wesentlich weniger „Kollateralschäden“ oder Komplikationen.

Dadurch verbessert sich – insbesondere für unsere älteren Patienten – die Lebensqualität. Und wenn dies nur bedeutet, dass sie besser und schmerzfreier zu pflegen sind.

Welche Relevanz hat dies?

Durch die deutlich verbesserte Nutzen-Risiko-Relation ist es in der modernen Medizin zu einer Erweiterung der Indikationsstellung für viele Operationen gekommen; viele Operationen können auch im hohen Alter (und dies bei der bekannten Alterspyramide!!) durchgeführt werden.

Dies bedeutet natürlich eine erhöhte Fallzahl und damit eine Kostensteigerung! Technologische Innovation und teure Implantate, sowie großer Verwaltungsaufwand im Rahmen der Bürokratie und des Qualitätsmanagements spielen bei der Kostenexplosion eine ebenfalls große und entscheidende Rolle.

Wie sieht die Gegenrechnung aus? Was ist preisgünstiger geworden?

Kürzere Krankheitsdauer (AU)! Kürzere Krankenhaus- und Kuraufenthalt! Viele stationäre Operationen können in den ambulanten Bereich verlagert werden!

 

Trotzdem zeigt die Bilanz, dass unser Gesundheitssystem wesentlich teurer geworden ist – die Kosteneinsparnis wiegt also nicht die erhöhten Kosten für die Errungenschaften der modernen Medizin auf.

Wo wird in der Zukunft die Kostenreduzierung ansetzen?

Es wird mehr Ärztenetze geben. Versicherungen und Kostenträger werden Einfluss nehme auf die Steuerung der Patienten. Es werden Direktverträge zwischen Versicherungen und Ärztenetzen geschlossen. Ebenso Direktverträge zwischen Versicherungen und Kliniken!

Ein wesentlicher Teil der Kostenreduzierung findet jedoch durch die intensivere Förderung der e-Medizin statt: Minister Gröhe setzt auf die sogenannte Telematik (Telekommunikation und Informatik) und er fördert den weiteren Ausbau der elektronischen Gesundheitskarte. Hier liegen – neben der Gefahr des Datenmissbrauchs! – große Chancen einer besser gesteuerten medizinischen Versorgung unserer Bevölkerung: weniger Doppeluntersuchungen, weniger Ärztehopping, keine gefährlichen Doppel- und Dreifach-Verordnung von Medikamenten, schnellste Information von beteiligten Leistungserbringern über die individuelle Erkrankungs- und Behandlungssituation des einzelnen Patienten.

Und – wenn Minister Gröhe`s Konzept aufgeht – soll die telematische Gesamtvernetzung der Leistungserbringer eine optimale Transparenz ermöglichen, so dass eine „allumfassende Versorgungsforschung“ möglich sein wird. D. h.: unsere statistischen Erhebungen bzgl. Risiken, bzgl. der Effektivität von Diagnostik und Therapie, bzgl. der Treffsicherheit präventiver Maßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen wird wesentlich aussagekräftiger. Erst dann werden die „Evidence based medicine (EBM)“ und die „nationalen Versorgungsleitlinien (NVL)“ konsequent und vollumfänglich eingesetzt werden können. Unsere begrenzten finanziellen Ressourcen sollen für die richtigen und wichtigen Leistungen eingesetzt werden (Priorisierung und Rationierung) und kein Geld soll an unnütze, Nicht–Evidenz–basierte Aktivitäten in Diagnose, Screening und Prävention vergeudet werden.

Dies bedeutet aber, dass Ärzte und Patienten gleichermaßen lernen müssen, Statistiken besser zu verstehen und sie dann auch umzusetzen.

Dies gilt gleichermaßen für die Prävention, Screening und für die Vorsorge-Untersuchungen. Hier gibt es in der Zwischenzeit viele Statistiken, die die Effektivität dieser Untersuchungen (siehe die Veröffentlichung von Professor Dr. Gerd Gigerenzer und seine zu diesem Thema erschienenen Bücher) teilweise in Frage stellen, das die Präventionsprogramme teilweise „nicht das halten, was sie versprechen“. Ärzte und Patienten gleichermaßen erwarten sich häufig zu viel von solchen Präventionsprogrammen. D. h. natürlich nicht, dass sie generell nutzlos sind. Aber wir müssen ihren Wert und ihre Aussagekraft je nach Untersuchung und je nach Risikokonstellation des Patienten differenziert bewerten.

Insofern gilt auch nicht grundsätzlich, dass „Prävention billiger ist als Therapie“. Gerne schmücken sich die Gesundheitspolitik und verschiedene Krankenkassen mit dieser Aussage.

Prävention kostet Geld! Sie kann zur Gesundheitsfürsorge und Verbesserung der Lebensqualität / Lebenserwartung häufig einen wesentlichen Beitrag leisten! Aber: Prävention entdeckt nicht nur gefährliche Krankheiten, sondern auch solche, die bis zum Ableben des Patienten unentdeckt geblieben wären – und sicherlich nicht als Todesursache angesehen werden können. Und im Falle von „falsch positiven Ergebnissen“ werden sogar Patienten behandelt, die gar keiner Therapie bedurft hätten. Insofern unterliegen auch die Empfehlungen zur Prävention großen Schwankungen, je nach neuesten Untersuchungsergebnissen, und je nach neuentwickelten diagnostischen und therapeutischen Verfahren.

Um dies umzusetzen, müssen Arzt und Patient gleichermaßen umdenken. Evidence based medicine und Versorgungsleitlinien empfehlen manchmal weniger Aktivität in Diagnostik und Therapie und empfehlen eher ein abwartendes Verhalten. Therapeutischer Minimalismus?

Dies kann in vielen Fällen auch zu Konflikten zwischen Arzt und Patienten führen: der Patient, der mehr Aktivität von seinem Arzt erwartet, muss hier optimal geführt werden und aufgeklärt werden. Die Compliance des Patienten ist von größter Bedeutung. Arzt und Patient müssen gleichermaßen lernen, dass Abwarten manchmal „sinnvoller“ ist als „Aktivität“.

Die Zukunftsperspektive:

  • Aussagekraft und Verständnis von Statistiken werden sich verbessern.
  • Die Versorgungsforschung wird verbessert.
  • Die individualisierte Medizin wird eine größere Bedeutung erhalten – im Rahmen der Diagnostik, der Therapie und der Vorsorge. Dabei werden individuelle Risiken erfasst, genetische und familiäre Risiken werden stärker berücksichtigt werden. Aussagen über die Effektivität evtl. therapeutischer Maßnahmen (z.B. Chemotherapie) können prospektiv gemacht werden.
  • Die Kooperation von „allen Partnern“ des Systems ist gefragt.
  • Partikularinteressen müssen zurückgestellt werden.

Und trotzdem – oder erst recht – benötigen wir für die individuelle und optimale Betreuung unserer Patienten.

  • Spielraum für die Heuristik.
  • Spielraum für Innovationen.
  • Spielraum für die individuelle empathische Betreuung und Führung unserer Patienten.

Kochbuch-Medizin darf nicht die verantwortungsvolle und individuelle Behandlung unserer Patienten ersetzen!!!

Dr. med. Peter J. Kaisser

Die Behandlung von Osteoporose, Sudeck-Syndrom / CRPS, Knochenödem / Bone bruise, erosive Osteochondrose… Mit Bisphosphonaten. Oral? Intravenös?

Der Referent, Professor Dr. med. Reiner Bartl,  referierte vor dem Schwabinger Ärztezirkel am 22.01.2015:

Prof. Dr. Bartl war als Osteologe (Spezialist für Knochenstoffwechselerkrankungen) am Klinikum Großhadern tätig und hat intensiv über die Probleme von Stoffwechselerkrankungen des Knochensystems gearbeitet. Insbesondere natürlich über das Thema der Osteoporosen.

Im Rahmen des oben angeführten Themas wurde schwerpunktmäßig jetzt das Krankheitsbild der Knochenödeme, Osteonekrosen und des Bone bruise bearbeitet. Unterschiedliche Ursachen führen zu Knochenödemen, die man in früheren Zeiten als es nur die radiologische Darstellung von Knochen gab, nicht erkennen konnte. Erst mit der Kernspintomographie wurde das Erscheinungsbild von Knochenödemen erkannt – und entsprechenden Beschwerdebildern unserer Patienten zugeordnet.

Ursächlich für die Knochenödeme im weitesten Sinne sind Überlastungssyndrome, z. B. bei Sportlern oder bei untrainierten Patienten, die sich einer größeren Belastung aussetzen müssen. Überlastungssyndrome bei Fehlstellungen. Überlastungssyndrome bei extremen sportlichen Betätigungen.

Knochenödeme werden häufig nach geringen und mittelgradigen Traumata gesehen, natürlich auch bei stärkerer Traumatisierung von Knochen und Gelenken – hier kommt es aber dann häufig zu Frakturen des Knochens.

Weitere Ursachen für Knochenödeme können verschiedene Knochentumore und -Metastasen sein.

Auch gibt es „idiopathische“ Formen der Knochenödeme, deren Ursache nicht bekannt ist. Auch während der Schwangerschaft können Knochenödeme auftreten, wahrscheinlich durch humorale und hormonelle Entzündungsmediatoren getriggert.

Bei den traumatischen Knochenödemen ist davon auszugehen, dass gleichzeitig kleine Microfrakturierungen der Knochenbälkchen vorhanden sind, die jedoch als solche häufig weder radiologisch noch computertomographisch noch kernspintomographisch nachzuweisen sind.

Auch benachbarte entzündliche Erscheinungen, die meistens über Zytokine vermittelt werden, sind als Ursache für die Knochenödeme anzusehen: so z. B. an der Wirbelsäule bei den erosiven Osteochondrosen. Diese Reaktionen der Wirbelkörper auf degenerativ entzündliche Veränderungen der Bandscheiben sind häufig bei unseren Patienten anzutreffen: und mit großer Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen auch Ursache der Beschwerdesymptomatik. (Es handelt sich hierbei nicht um eine Reaktion im Rahmen einer bakteriellen Entzündung – sondern nur um Reizzustände, die in den allermeisten Fällen nichts mit Bakterien zu tun haben!)

Professor Bartl machte klar, dass zumindest im Gelenkbereich die Knochenödeme häufig von den ehemaligen Wachstumsfugen ausgehen. Hier gibt es ebenfalls Entzündungserscheinungen, die über Zytokine transportiert werden. Es kommt zu einer Aktivierung der Osteoklasten (knochenabbauende Zellen), während der Knochenaufbau meist unverändert von statten geht. Insofern kommt es jedoch zu einer Dysbalance bzgl. Knochenaufbau und Knochenabbau – so wie wir dies bei der Osteoporosen kennengelernt haben.

Deshalb, sind die Knochenödeme auf Grund der Ähnlichkeit von Stoffwechselveränderungen bei den Osteoporosen  – rein erfahrungsmedizinisch basiert- der Behandlung mit speziellen Osteoporosepräparaten zugänglich. Es handelt sich hier nicht um die normalen in Tablettenform eingenommenen Medikamente – sondern vielmehr um spezielle hochdosierte Infusionen: Osteoporosemedikamente, die zu der Gruppe der Bisphosphonate gehören.

Bei allen oben genannten Krankheiten hat sich erwiesen, dass Ibandronat-Infusionen (1x 6mg oder 2x 3mg) per Infusionen alle 2-3-4 Wochen in einer Serie von 3-maliger Gabe als extrem wirksam eingestuft werden können.

Die Gabe von Ibandronat ist ein „off-label-use“ und wird deshalb von den Allgemeinkassen nicht übernommen. Im Normalfall wird es von den Privatkrankenkassen bezahlt. Bei der BG muss ein gesonderter Antrag gestellt werden.

Kontraindiziert ist Ibandronat bei Niereninsuffizienzen und bei anamnestisch bekannter Kieferknochennekrose. Auch sollte das Ibandronat nicht gegeben werden, wenn Eingriffe an den Kieferknochen, z.B. mit Implantaten geplant sind, um das Risiko einer Kiefernekrose zu minimieren.

Grundsätzlich wird zusätzlich Vitamin D (2000 Einheiten pro Tag) gegeben. Kalziumsubstitution erfolgt nur bei entsprechender Mangelernährung oder niedrigem Kalziumspiegel. Während der Behandlung sollte eine schmerzadaptierte Entlastung erfolgen (normalerweise in einem Zeitraum zwischen 4-6 Wochen).

Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass nach diesen Infusionen sehr selten, aber gelegentlich doch grippeähnliche Symptome wie Schüttelfrost oder Fieber für 2-3 Tage auftreten können. Dies ist vollständig harmlos. Der Patient sollte nur darauf hingewiesen werden, dass diese Symptome auftreten können, damit keine unnötige Beunruhigung bei Patienten oder seinen Angehörigen entsteht.

Auch müssen die Patienten darüber aufgeklärt werden, dass es sich um einen „off-label-use“ handelt. Das heißt: die Zulassung des verwendeten Medikamentes ist für andere Krankheitsbilder vorgesehen. Es hat sich jedoch nach der Zulassungsgenehmigung herausgestellt, dass dieses Medikament auch bei anderen (z.B. die oben genannten „Knochenödeme“ wirksam ist). Aus haftungsrechtlichen Gründen ist eine solche Information des Patienten notwendig.

Dr. med. Peter J. Kaisser

(Medizinische) Versorgung von Flüchtlinge und Asylanten

Durch enge Kontakte zum Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und anderen Institutionen in München, hat sich der Eindruck verstärkt, dass das Flüchtlingsproblem in unserer Stadt noch wesentlich größer ist, als wir regelmäßig aus Radio, Fernsehen und Presse entnehmen können.

Nachdem Deutschland und seine Bewohner in nicht allzu ferner Vergangenheit sowohl als hilfeleistendes wie auch als hilfesuchendes Land „Flüchtlings-Erfahrungen“ sammeln musste, erscheint es mir richtig und konsequent, wenn wir uns auch heute fragen, inwieweit wir einen (medizinischen) Beitrag zur Bewältigung des Flüchtlingsproblems leisten können.

Es geht um Flüchtlinge, die auf Grund (staatlicher) Gewalt aus ihren Ländern fliehen müssen, um ihr Leben und das Leben ihrer Angehörigen zu retten. Es geht nicht um „opportunistische Immigranten“, die primär ihr „wirtschaftliches Glück“ in Deutschland versuchen wollen. (Natürlich – das ist mir klar: Asylanten und „sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge“ sind nicht immer ganz scharf voneinander zu trennen.)

Neben dem Bayerischen Staatsministerium kümmern sich auch andere Institutionen um die Probleme von Flüchtlingen und insbesondere um deren minderjährige Kinder, die ohne Eltern hier in unserer Stadt ankommen: Residenztheater und Kammerspiele, sowie die jeweiligen Förderkreise dieser Theater haben sich diesem Thema gewidmet; darüber hinaus sind auch verschiedene rotarische Clubs aktiv geworden. Auch Rotaract steht hilfsbereit zur Verfügung.

Die „SchlaU-Schule“ ermöglicht Flüchtlingskindern in München einen qualifizierten Abschluss, um somit deren Integration sowie deren Berufs- und Lebenschancen in Deutschland zu verbessern und sie gleichzeitig vor dem Abtriften in ein kriminelles Milieu zu bewahren. Ich habe einen Teil dieser Kinder und Jugendlichen selbst treffen können: es sind hoffnungsvolle junge Menschen, mit dem dringenden Wunsch, das Beste aus ihrem Leben zu machen, sich mit der deutschen Kultur auseinander zusetzen und hier eine neue stabile Plattform für ihr Leben zu gewinnen, in dem sie sich ernsthaft um ihre Ausbildung und berufliche Qualifikation kümmern.

Die Abgänger aus der „SchlaU-Schule“ (www.schlau-schule.de) könnten auch für uns Ärzte und andere Institutionen, wie z. B. die Kliniken oder Theater interessant sein: für qualifizierte Abgänger werden dringend Azubi-Stellen gesucht. Viele von uns bieten Ausbildungsstellen für Azubi zum/zur Medizinischen Fachangestellten an: warum nicht bewährte und qualifizierte junge Leute aus der „SchlaU-Schule“ nehmen!?

In einem zweiten Bereich könnten wir tätig werden: es werden dringend Ärzte (Internisten und Hausärzte) gesucht, die medizinische Untersuchungen für die ankommenden Flüchtlinge durchführen – am besten vor Ort in der Bayernkaserne. Auch gynäkologische, pädiatrische und psychologische/psychiatrische Untersuchungen und Patientenversorgung sind dringend gefragt und benötigt.

Die Röntgenreihenuntersuchungen (Thoraxübersichtsaufnahmen) werden

durch gesonderte Teams bereits  abgedeckt, so dass zusätzliche Hilfe hier derzeit nicht benötigt wird. Für die normalen diagnostischen Röntgenuntersuchungen haben wir bereits unsere Röntgenanlage in unserem Ärztehaus „LMC“ zur Verfügung gestellt.

Meine letzte Information aus dem Sozialministerium: das „Ärztenetz Dr. Wendeborn“ ist  offiziell vom Sozialministerium beauftragt worden, die Organisation vor Ort in der Bayern-Kaserne zu übernehmen. Von der Regierung von Oberbayern werden zwei Arzthelferinnen zusätzlich gestellt. Das ist schon einmal eine große Erleichterung. Die Kollegen aus unserem Ärztezirkel und aus unserem Ärztehaus könnten sich dort dann entsprechend einbringen. Die Organisation dürfte damit gewährleistet sein und die entsprechenden Räumlichkeiten sind großteils bereits zur Verfügung gestellt. Im Augenblick ist geplant, dass für die ärztliche Untersuchung ein Stundensatz von ca. 100,00 Euro von der Regierung von Oberbayern vergütet wird – also keine Verrechnung über die KV! Keine Belastung des Budgets! Und auch Kolleginnen und Kollegen ohne KV-Zulassung können sich somit einbringen und anmelden.

Es haben sich inzwischen schon erfreulich viele Kolleginnen und Kollegen – sowohl Hausärzte und Internisten, wie auch Fachärzte – für unsere medizinische „Flüchtlings- und Asylantenhilfe“ gemeldet. Es ist in der Zwischenzeit bereits eine gewisse strukturelle Verbesserung eingetreten ist. Es gibt in der Bayernkaserne bereits zwei ärztliche Untersuchungszimmer. Nächste Woche sollen zusätzlich zwei Container angeliefert werden, die die medizinische Versorgung / Eingangsuntersuchung der Flüchtlinge verbessern soll.

Wir haben in diversen Gesprächen nochmals betont, dass wir keine „neue Organisation“ oder „infrastrukturelle Schiene“ initiieren wollen, sondern vielmehr unsere Arbeitskraft als Ärzte, unsere Praxen und unsere technischen Möglichkeiten der bestehenden Infrastruktur auf Abruf anbieten wollen.

Neu ist, dass jetzt mehr Fachärzte benötigt werden als ursprünglich gedacht. Insofern gilt also der Aufruf auch an die Fach-Kollegen, ggfs. ihr fachärztliches Know-how und die apparativen Untersuchungsmöglichkeit im Rahmen ihrer Praxis bei Bedarf zur Verfügung zu stellen: eine große Hilfe für die in der Bayernkaserne tätigen Kollegen wäre, wenn die entsprechenden Praxen relativ großzügig rasche Termine für diese Untersuchungen anbieten könnten, da die Flüchtlinge häufig mit Begleitperson in die Praxis kommen und darüber hinaus die Weitervermittlung der Flüchtlinge in andere, nicht zentrale Unterkünfte nur nach entsprechender medizinischer Untersuchung möglich ist. Nur so lässt sich der Flüchtlingsstrom in der Zentrale München und insbesondere in der Bayernkaserne einigermaßen vernünftig steuern – Sie haben alle sicherlich der Presse entnommen, dass jedoch hier bereits eine gewisse „Entspannung“ eingetreten ist.

Schwerpunktmäßig werden derzeit folgende Fachrichtungen zusätzlich gesucht:

Augenärzte, HNO, Zahnärzte, Psychiatrie / Traumapsychologen, ggfs. plastische Chirurgie, Radiologen.

Alle Kollegen, die sich an der Versorgung beteiligen wollen, melden sich bitte persönlich und direkt unter folgender e-mail Adresse an: dienstplan@refudocs.de

Dort werden allen Kollegen Dienstzeiten angeboten, die sie individuell nach deren persönlichen Möglichkeiten und Gegebenheiten auswählen können.

Ich würde mich freuen, wenn einige der Kolleginnen und Kollegen sich mit uns gemeinsam engagieren wollten und freue mich in diesem Fall auf deren Rückmeldung und auf eine gute, erfolgreiche Zusammenarbeit.

Auch die SchlaU-Schule hat sich nochmals erneut gemeldet. Zudem wurde ein fünfstelliger Betrag von Rotary gesammelt und übergeben.

Es werden folgende Kooperations-Programme intensiviert und fortgeführt:

  1. Schaffung von Azubi-Stellen in Praxen, Kliniken und Theatern.
  1. Klassenkasse am Residenztheater (zum kostenlosen Besuch von „geeigneten“

Theatervorstellungen).

3.  Gemeinsame workshops im Bereich der Produktion von Theaterstücken, Regie,

Bühnenbild, schauspielerisches Talent, Pantomime,…. Lesungen zur Sprach- und

Verständnisförderung.

4.  Ggfs. Hausaufgabenbetreuung.

5.  Ggfs. Dolmetscher-Funktion von Asylantenkindern, die die deutsche Sprache bereits einigermaßen gut beherrschen.

Fazit: Es ist schon Vieles in der Versorgung des Asylanten organisiert und getan worden – es bleibt aber weiterhin noch vieles zu tun. Lassen Sie uns dies gemeinsam angehen!

Dr. med. Peter J. Kaisser

Vorfußdeformitäten und ihre Therapie – auch unter dem Aspekt von Reflexeinlagen (prä- oder postoperativ) Dr. med. Peter J. Kaisser

Das letzte Treffen des Schwabinger Ärztezirkels am 18.09.2014 im Restaurant „Alta Marea“ befasste sich mit dem Thema der Vorfußdeformitäten, ihrer Diagnostik und Therapie.

Im Rahmen einer langen Diskussion wurden zusätzliche Fragen der Einlagenversorgung im Sinne von biomechanischen Einlagen oder Reflexeinlagen erörtert.

Das Referat beim Schwabinger Ärztezirkels wurde von Dr. med. Peter J. Kaisser gehalten:

Es wurden die häufigsten Vorfußdeformitäten in Form des Knick-Senk-Spreizfußes, des Plattfußes, des Hallux valgus und Digitus interphalangeus, sowie der Hammer- und Krallenzehen erörtert. Darüber hinaus spielt auch der Digitus quintus varus (Schneider`s Bunion) bei der Schmerzursache eine nicht unerhebliche Rolle – wird jedoch meistens in Kombination mit anderen Vorfußdeformitäten gesehen.

Die Ursache der Vorfußdeformitäten liegt häufig in einer kongenitalen, genetisch bedingten Veranlagung bei gleichzeitig bestehendem weichem und lockerem Bindegewebe mit hypermobilen Gelenken. Darüber hinaus spielen natürlich Fehlbelastungen und Überlastungen bei Sportlern oder adipösen Patienten eine große Rolle. Auch modisches Schuhwerk mit spitzem vorderem Zulauf und hohen Absätzen bzw. entsprechend geformten Nylonstrümpfen spielen hier eine Rolle. Sportliche Überlastung (z.B. Balletttanz) kann ebenfalls ursächlich von Bedeutung sein – hier spielt aber hauptsächlich die Abnutzung im Großzehengrundgelenk mit entsprechender Arthrosebildung im Vordergrund (bei Balletttänzern spielt sicher die mangelnde Muskelkraft keine Rolle! Im Gegenteil!) Aber auch Lähmungen, traumatische Verletzungen, Infektionen und Entzündungserkrankungen (Rheumatismus) können eine wesentliche Ursache für die Deformierungen am Vorfuß und ihre Schmerzsymptomatik darstellen.

Der Fuß, und insbesondere die Fußsohle, sind die Basis, auf der der Mensch geht. In diesem Falle gilt das umgekehrte Sprichwort: „Alles Gute kommt von unten“. Und es ist leicht einzusehen, dass auch der immer wieder zitierte Satz Gültigkeit hat: „Wenn es im Keller (in den Füßen) brennt, kann es auch im Dachstuhl (Halswirbelsäule/Kopf) nicht gemütlich zugehen…“

Was heißt das?: Zum einen muss die Basis, auf der wir gehen, stabil und in Balance, sowie ohne pathologische Veränderungen sein, so dass der restliche Körper, der von dieser Basis getragen wird, auch lot- und achsengerecht funktionieren kann. Zum Beispiel: ein einseitiger Knick-Senk-Fuß führt zu einer relativen Beinverkürzung und zu einer X-Beinstellung mit dem Ergebnis, dass das Becken in eine schiefe Position kommt. Damit entspringt auch die Wirbelsäule auf einer schiefen Ebene, so dass kompensatorisch eine Gegenkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose) entsteht. Diese führt zu unsymmetrischen und nichtausbalancierten Scherkräften bzw. Muskel- und Sehnenbelastungen, so dass dysfunktionelle Schmerzen in den entsprechenden Sehnen, Muskeln, Bändern und Gelenken entstehen. Dies setzt sich von der Lendenwirbelsäule über die Brustwirbelsäule, den knöchernen Wirbelsäulen-Rippenverbindungen bis hin zur Halswirbelsäule fort. Und an der Halswirbelsäule sind wiederum Muskeln und Bänder tätig in Koordination mit den entsprechenden Nervenfasern, die für die Stellung und die Funktion des Kopfes, des Innenohrs, der Kiefergelenke… verantwortlich sind. Daraus resultierende Schmerzen sind repräsentiert in Diagnosen wie dem HWS-Syndrom, der craniomandibuläre Dysfunktion, dem cervikogenen Kopfschmerz, dem Tinnitus, verschiedenen Formen des Schwindels und der Ohrengeräusche…

Gleichzeitig repräsentiert die Fußsohle sehr viele Funktionen unseres Organismus – nicht nur auf einer biomechanischen Basis, sondern vielmehr auf einer reflex-neurologischen Basis: Stellreflexe, Propriorezeption… Hierdurch wird nicht nur die Haltung des Skeletts und der Muskulatur beeinflusst, sondern auch viele Funktionen der inneren Organe – die heute jedoch nicht Thema der Abhandlung sein sollen.

Durch die biomechanischen Einlagen lässt sich die Fußform, der Abrollvorgang und die Beinachse korrigieren und verbessern – allerdings nicht im Sinne einer dauerhaften Heilung oder Verbesserung der pathologischen Anatomie, sondern vielmehr für die Dauer des Tragen der Einlagen reduzierte Zeitspanne. Nicht nur in diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass neben der passiven Korrektur durch biomechanische Einlagen gleichzeitig ein eigenständiges Muskeltraining der intrinsischen Muskulatur des Fußes stattfindet, um auch eine aktive Korrektur der unphysiologischen Gewölbeausprägung zu erwirken: die passive Korrektur soll durch ein aktives inneres Muskelkorsett dynamisch unterstützt werden, um die Fußstellung und damit auch die Fußfunktion in den normalen, physiologischen Bereich zurückzubringen. Und dies gelingt auch sehr häufig! Das Muskeltraining muss eigenständig von den Patienten – nach entsprechender Anleitung – durchgeführt werden.

Im Gegensatz hierzu versucht die Reflexeinlage neben dem Training der Fußmuskulatur und der Stellreflexe auch Einfluss zu nehmen auf zahlreiche Areale des gesamten Körperskeletts und des Bindegewebe-, Muskel-, Sehnen- und Bandapparates, was ebenfalls immer wieder zu überraschend positiven Ergebnissen und Beschwerdelinderung führt. Die Transformation der gereizten Fußareale (Reflexzonen) findet über verschiedene Fasern des vegetativen Nervensystems und der damit verbundenen Reflexschaltungen statt – und ist somit eine positive Ergänzung der rein biomechanischen Korrektur unseres Skeletts.

Im Rahmen der ausgiebigen Diskussion der Teilnehmer des Ärztezirkels wurde dahingehend ein Konsens entwickelt, dass häufig die Kombination aus normalen biomechanischen Einlagen mit zusätzlichen Reflexzonen je nach Ausmaß der Fußdeformität oder nach erfolgter operativer Vorfußkorrektur sehr hilfreich und nützlich sein kann (siehe unten).

Bei der Diagnose der Fußdeformitäten und zur Bestimmung des Ausmaßes der Deformität, spielen verschiedene Winkel, die an Belastungsröntgenaufnahmen des Fußes gemessen werden, eine wichtige Rolle: z.B. der Hallux-valgus-Winkel, der Intermetatarsalwinkel, der Winkel an der Gelenkfläche des Grundgelenkes der Großzehe, der Intermetatarsalindex (der die unterschiedliche Länge der Mittelfußknochen bzw. ihrer in der Belastungszone liegenden Köpfchen angibt) – und viele mehr…..

Neben der ausgiebigen klinischen Untersuchung, der Überprüfung der Beweglichkeit der Gelenke und der Stabilität / Instabilität des Bandapparates spielen die oben genannten Winkel zur Planung des operativen Vorgehens eine nicht unerhebliche Rolle. Sie entscheiden über die Wahl des Operationsverfahrens bzw. über deren Modifikation bezüglich Drehung und dreidimensionaler Stellung der zu korrigierenden Knochen.

Im Bereich der Großzehe unterscheiden sich die „hohen oder proximalen“ (also nahe am Zentralfuß gelegenen) Osteotomien von den „distalen“ Korrekturoperationen, die im Wesentlichen nur das Metatarsalköpfchen im Bereich seiner Belastungszone und die Stellung des Grundgelenkes der Großzehe beeinflussen. Das Ausmaß der Korrektur hängt auch von den Hebelarmen ab: je höher und zentraler die Osteotomie angelegt ist, umso besser kann natürlich in der Peripherie die Korrektur über den Hebelarm erfolgen!! Und je nach Schnittlegung ist auch die Länge der osteotomierten Flächen innerhalb des Knochens unterschiedlich groß, was für die Sicherheit der Knochenheilung eine große Rolle spielt.

Dr. Kaisser berichtet deshalb über die bevorzugte Scarf-Osteotomie – eine z-förmige Osteotomie des Metatarsale-1, die durch eine Lateralverschiebung eine Verschmälerung des Vorfußes erreichen kann und damit bereits eine gute Basis für die Korrektur der Stellung der Großzehe darstellt und dadurch eine Normalisierung des Abrollverfahrens im Fuß bewirken kann.

Wenn zusätzlich eine Abweichung der Großzehe besteht, kann diese mit einer zusätzlichen Akin-Osteotomie mit Aufrichtung der Zehe durch eine Keilentnahme in der Grundphalangs erreicht werden. Diese Osteotomie wird dann mit einer Kompressionsschraube oder einer Bi-Metall-Kompressionsklammer fixiert. Die Scarf- und Akin-Osteotomie benötigen ca. 4 Wochen zur Ausheilung. Dann ist meistens eine knöcherne Konsolidierung erreicht, so dass wieder voll belastet werden kann.

Alternative Operationen an der Großzehe sind die Operation nach Chevron, Austin, openwedge– und closingwedge- oder sogar Versteifungsoperationen im Bereich des Fußwurzel-Mittelfußgelenkes oder im Falle einer fortgeschrittenen Arthrose im Bereich des Großzehengrundgelenkes.

Bei sehr weit fortgeschrittener Arthrose im Großzehengrundgelenk bietet sich zum einen die oben dargelegte Versteifungsoperation an – eine andere Alternative ist die sogenannte Arthroplastik nach Keller-Brandes,  die für 3 Wochen mit einem zentralen Kirschnerdraht fixiert wird. Ein Teil des Grundgelenkes wird reseziert. Es entsteht eine Art „Falschgelenk“, welches durch eingelagertes Bindegewebe aus der Gelenkschleimhaut und der Gelenkkapsel gefügig und beweglich gehalten wird und eine Art Platzhalter zwischen dem Mittelfußknochen und dem Großzehengrundgelenksknochen darstellt. Die Indikation für die beiden zuletzt geschilderten Operationen wird je nach Autoren und Operateuren etwas unterschiedlich in ihrer Wertigkeit und in ihrer Prognose beurteilt.

Die Implantation von künstlichen Großzehengrundgelenken wird wohl seit vielen Jahren immer wieder neu propagiert – die bislang auf dem Markt befindlichen Implantate / künstlichen Gelenke zeigen jedoch keine befriedigende Funktionalität und Haltbarkeit, wie wir dies bei Knie- und Hüftendoprothesen erfreulicherweise seit vielen Jahren beobachten können. Der Grund für die unbefriedigende Funktion und Haltbarkeit der Großzehengrundgelenksprothesen ist die Tatsache, dass diese Gelenke hauptsächlich mit Scherkräften belastet werden und nicht – wie das bei Hüft- und Kniegelenke der Fall ist – mit axialen Kräften. Die Scherkräfte führen zu einer vorzeitigen Lockerung der Implantate, die meist mit einer starken Resorption von Knochen einhergeht, so dass eine nachfolgende, sekundäre Versteifungsoperation wegen mangelnder Knochenmasse deutlich erschwert ist und häufig die Augmentation mit transplantiertem Knochen (z.B. aus dem Beckenkamm des Patienten) erforderlich macht.

Insgesamt wurde in der gemeinsamen Diskussion als summary konstatiert, dass die modernen Vorfußoperationen durchaus gute Ergebnisse haben. Wichtige Voraussetzung ist jedoch die richtige Indikation und eine sehr exakte und sorgsame Operationstechnik. Und insbesondere eine optimale postoperative Nachbehandlung. Darüber hinaus besteht die dringende Forderung an den Patienten, sowohl in der Nachbehandlung mit Mobilisation und Bandagierung der operierten Zehe wie auch in der späteren Phase bezüglich der vernünftigen und physiologischen Belastung der operierten Zehe, sehr gut mitzuarbeiten – die sogenannte Compliance des Patienten ist für ein gutes Operationsresultat dringend erforderlich.

Vorfußoperationen sollen nicht aus kosmetischen Gründen, sondern aus funktionellen und aus schmerzbedingten Gründen durchgeführt werden. Bei einer gelungenen Vorfußoperation ist davon auszugehen, dass die Schmerzen weniger werden, die Funktion besser – und sekundär dann auch kosmetisch eine Verbesserung im Vergleich zu der präoperativen Situation erreicht werden kann.

Über die Vorfußoperationen der Kleinzehe wird in einer gesonderten Abhandlung berichtet.

Dr. med. Peter J. Kaisser                                                          01.10.2014

 

Bericht über den Kongress der Vereinigung der Süddeutschen Orthopäden und Unfallchirurgen vom 01.05. bis 03.05.2014 in Baden-Baden

Der diesjährige Orthopädenkongress wurde erstmalig von einer Präsidentin geführt, Frau Professor Andres Meurer aus Frankfurt. Es war ein erfolgreicher Kongress mit innovativen Themen. Eine hochinteressante Podiumsdiskussion wurde von Frau Professor Meurer initiiert: Karrierestrategien für Frauen in der Wirtschaft und in der Medizin. Hier nahmen 7 Frauen, alle in leitenden Funktionen in Industrie, Universität, Banken, Wirtschaftsministerium, Kliniken und Chefredaktionen teil. Geschuldet war diese Diskussion der Beobachtung, die wir neuerdings in der Medizin machen können: es gibt ca. 70% weibliche Studienanfängerinnen. Es gibt ca. 50% weibliche Assistenzärztinnen in den Kliniken – sogar in orthopädisch-unfallchirurgischen Abteilungen ist teilweise die Präsenz der weiblichen Assistenzärztinnen gleich groß oder größer als die der männlichen Kollegen.

Aber: in den Führungspositionen sieht dann die statistische Verteilung sehr schnell anders aus. Die Führungspositionen werden weiterhin dominant von den männlichen Kollegen übernommen. Im Gegensatz zur Medizin zeigen die Statistiken, dass in mittelständischen Unternehmen wenigstens ca. 25-30 % Frauen in der Führungsposition angekommen sind.

Teilweise hängt das entsprechend den Erfahrungen in der Industrie damit zusammen, dass Männer in ihrem Beruf „einfach offensiver“ sind. Sie verkaufen ihr Wissen wesentlich besser und selbstbewusster; Frauen trauen sich häufig trotz sehr großem Wissen und hoher Kompetenz wesentlich weniger zu – und äußern dies auch bei ihren Mitarbeitern und Vorgesetzten.

Die meisten Diskutanten waren der Meinung: „Man muss nur wollen“, „Man muss sich trauen“.

Die Mehrheit der anwesenden Diskutantinnen sprach sich gegen eine Quotenregelung aus, obgleich es heute noch immer so ist, dass bei der Bewerbung um Führungspositionen von 100 Bewerbern maximal 3 Frauen sind. Sie argumentierten mehrheitlich dahingehend, dass der Gleichberechtigung der Frauen im Beruf kein Gefallen getan wird, wenn Führungspositionen an Frauen wegen der Quotenregelung und nicht wegen einer eindeutig positiven Kompetenz vergeben werden.

Innerhalb der Medizin sahen die Diskutantinnen kein Problem, eine umschriebene Pause zur Betreuung der Kinder oder zur Pflege der Eltern einzulegen; jedoch dann muss die Arbeit wieder voll aufgenommen werden, um mit den Konkurrenten mithalten zu können.

Im Ländervergleich zeigt sich, dass diese Probleme in Deutschland wesentlich signifikanter zu Tage treten als in den USA, Frankreich oder in den skandinavischen Ländern. Deutschland schafft derzeit erst die Infrastruktur zur ganztägigen Versorgung von Kindern. Aber auch die Mentalität und das Bewusstsein der Eltern sind in Deutschland unterschiedlich zu den skandinavischen Ländern, wo die Ganztagsbetreuung der Kinder in Schule oder Hort wesentlich mehr gesellschaftliche Akzeptanz findet als in Deutschland. Weiterhin ist (historisch bedingt) ein gewisses Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland festzustellen.

Auch werden in Deutschland noch wenig „haushaltsnahe Leistungen“ als Dienstleistungen angeboten und von Ehepaaren mit Kindern und Doppelkarriere angenommen. Natürlich verschlingen solche Leistungen einen Teil des zusätzlichen Einkommens – viel mehr ist dies Ausdruck einer inneren Haltung oder gesellschaftlichen Einstellung.

Interessant war der Unterschied zwischen Männer und Frauen, wenn sie in die „Babypause“ gehen: Männer nutzen diese weniger für die Betreuung des Kindes und die gleichzeitige Freistellung der Frau, damit diese ihren beruflichen Anforderungen nachgehen kann. Männer nehmen 3 Monate frei, um in dieser Zeit Reisen mit der Familie zu machen, ihr Buch oder ihre Habilitation zu schreiben, oder anderen Hobbys nachzugehen…

Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass die jüngere Generation (Frauen und Männer gleichermaßen) eine andere Vorstellung von ihrem Leben haben – „work blance“. Das ausschließliche „Powern für den Beruf“ sei bei vielen dieser Generation nicht mehr gewünscht – diese stehen natürlich in Konkurrenz mit denjenigen, die weiterhin sehr zielstrebig ihre Karriere im Auge haben, vielleicht als Stellenwert Nr. 1 in ihrem Leben!

Und ebenso interessant ist festzustellen, dass die „Freiberuflichkeit“, Eigenständigkeit oder die Übernahme von Führungspositionen mit großer Verantwortung von vielen der jüngeren Generation nicht mehr gewünscht wird: viele suchen „die vermeintlich größere Sicherheit“ in einem Angestelltenverhältnis. Dies gilt für Frauen noch stärker als für Männer.

Eine ähnliche Erfahrung wird bei der Niederlassung von jungen Kolleginnen und Kollegen beobachtet. Viele begeben sich gerne unter das Schutzschild einer großen Gemeinschaftspraxis oder eines MVZ`s, wo sie im Angestelltenverhältnis ohne unternehmerische Verantwortung und Verpflichtung arbeiten können!!

Zeitlich definierter 8- Stunden-Tag ist erwünscht. Es wurde von den Diskutantinnen aber auch klargemacht, dass dies akzeptable Konzepte einer jüngeren Generationen sind – dass dann aber keine Anforderungen und Erwartungen an „echte Karrieren“ und „große Verdienste“ gestellt werden können!!!

Selbstkritisch fragten sich die Diskutantinnen: bin ich wirklich ein Vorbild für die heranwachsende Frauengeneration, bin ich als Klinikchefin attraktiv? Ohne Frisur! Ohne lackierte Fingernägel?

Es war eine sehr interessante und sehr faire Diskussion. Fertige Lösungen hatte niemand parat. Jedoch wurde auf breiter Basis dargelegt, dass bereits eine größere Akzeptanz in der Förderung von Frauen im Beruf bis hinein in die Führungspositionen gewährleistet ist. Wichtig erscheint, dass nicht unsere gesellschaftspolitischen Vorgaben für das Individuum entscheidend sind, sondern die individuelle Entscheidung jedes Einzelnen, wo diese(r) seine Schwerpunkte im Leben sieht. Und diese können – dafür braucht sich niemand zu genieren – auch im familiären Bereich liegen! Die Chancen werden – wie in anderen Lebensbereichen ebenfalls – nie absolut gleich sein; wir wollen jedoch den Weg versuchen, die Chancengleichheit, aber auch die Wahlfreiheit, so groß wie möglich zu gestalten.

Dr. med. Peter J. Kaisser

Bericht über den Kongress der Vereinigung der Süddeutschen Orthopäden und Unfallchirurgen vom 01.05. bis 03.05.2014 in Baden-Baden von Dr. med. Peter J. Kaisser

Der Orthopäden- und Unfallchirurgenkongress in Baden-Baden hat eine lange Tradition: Wir haben dieses Jahr unsere 62. Jahrestagung dort durchgeführt. Der Kongress in Baden-Baden gehört zu den beiden großen nationalen / internationalen Orthopäden- und Unfallchirurgenkongressen in Deutschland: Im Frühsommer treffen sich Wissenschaftler, Klinik- und niedergelassene Ärzte in Baden-Baden; im Oktober findet die noch größere Veranstaltung dann in Berlin statt. Diese beiden „zentralen“ Kongresse beinhalten gleichzeitig große Industrieausstellungen. Neue Forschungsergebnisse werden präsentiert. Gleichzeitig findet aber auch eine selbstkritische Standortbestimmung statt:

Nicht nur über den Arztberuf wird hier reflektiert, sondern vielmehr über Gestaltung, Veränderung und Infrastruktur unseres gesamten Gesundheitssystems, seine soziale Relevanz und seine zeitgemäße Fortentwicklung.

Hierzu gehören auch Fragen, die den medizinischen Nachwuchses betreffen, oder die Finanzierbarkeit unserer modernen Medizin (bei zunehmend älterwerdender und anspruchsvoller Bevölkerung: Methusalemkomplex).

Zusätzlich wurden dieses Jahr zwei wichtige Themen angesprochen:

1. “Wirbelsäule – operieren wir zu viel?“

2. “Karrierestrategien für Frauen in der Medizin“

Zu Thema I werde ich in diesem Beitrag Stellung nehmen. Das Thema II wird in einer gesonderten Abhandlung ebenfalls veröffentlicht und kann für interessierte Leser im Internet abgerufen werden.

Die Frage, ob in der modernen Orthopädie und Unfallchirurgie zu viel operiert wird, wie dies gelegentlich von der Presse und von den Kassen behauptet wird, kann nur beantwortet werden, wenn wir uns gleichzeitig die Statistiken anschauen, die zu diesem Thema veröffentlicht werden. Nur saubere, korrekte wissenschaftlich signifikante Statistiken können eine so schwerwiegende und relevante Frage fundiert beantworten.

Und wie dies in der Wissenschaft notwendig ist: es muss auch die Gegenfrage gestellt werden: Operieren wir vielleicht oder manchmal zu wenig? Welche Folgen hat es für die Patienten, wenn notwendige Operationen nicht oder verzögert durchgeführt werden.

Wieviel wissenschaftlich fundiertes Material haben wir an der Hand bezüglich der Frage, wie lange konservativ behandelt werden soll oder behandelt werden kann.  Und ab wann ist ein operatives Vorgehen sinnvoll oder sogar zwingend notwendig?

Zu den Statistiken: Leider muss man hier sagen, dass manchmal Äpfel mit Birnen verglichen werden, da nämlich in älteren Statistiken therapeutische Maßnahmen anders codiert wurden als dies heute der Fall ist. Die Codierungen lassen sich nicht immer miteinander vergleichen. Sehr neue und moderne Eingriffe finden logischerweise in früheren Statistiken keinen Niederschlag – also ist hier ein exakter wissenschaftlicher Vergleich nicht möglich.

Die OP-Codierungen werden heute auf Grund der neuen Verrechnungssysteme teilweise anders durchgeführt, als früher: sie sind „EBM“ basiert!! Aus diesem Grund besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Eingriffe, die früher mit einer (!) komplexen Nummer codiert wurden, heute mit 3 oder 4 verschiedenen Ziffern codiert werden – quasi als Teilschritte einer Operation, wie sie auch abrechnungsmäßig abgebildet werden und mit verschiedenen Codes belegt werden.

Dies steht auch im Zusammenhang mit der Tatsache, dass heute für die Erfassung der Morbidität unserer Patienten alle Zusatzerkrankungen miterfasst werden: auch hier möglicherweise eine logische und richtige Ausweitung der Anzahl eingetragenen Codierungsziffern. Die Tatsache, dass die Kliniken heute nach Fallpauschalen (DRG) bezahlt werden, diese DRG`s aber abhängig von den Diagnosen (Co-morbidität), den Risiken und den Komplikationen sind, schafft eine veränderte Codifizierungsgrundlage im Vergleich zu früher.

Also: unsere statistischen Vergleiche stehen auf relativ wackligen Beinen für so schwerwiegende Aussagen, die von verschiedenen Seiten politisch intendiert, nicht nur als Fakten, sondern als vehemente Vorwürfe an die Ärzteschaft gerichtet sind.

Von den prominenten Diskutanten dieser Podiumsdiskussion wurde dargelegt, dass wir Ärzte in einem Gesundheitssystem leben, das wir nicht wollten, aber jetzt für die Folgen verantwortlich gemacht werden!

Operationen sind heute so viel kleiner und weniger invasiv, dass ihre Indikationsstellung sehr ausgeweitet werden konnte. Es handelt sich teilweise um minimalste Eingriffe, die auch an Patienten in nicht gutem Allgemeinzustand und/oder in hohem Alter durchgeführt werden können. Sowohl unsere chirurgischen wie auch anästhesiologischen Verfahren sind dahingehend weiterentwickelt worden, dass die Nutzen-Risiko-Kalkulation, die jeder Operation zu Grunde liegen muss, eindeutig in Richtung Nutzen sich verschoben hat. Darüber hinaus wird unsere Bevölkerung immer älter (Alterspyramide): das heißt im Alter treten mehr Erkrankungen auf, der alternde Mensch hat zunehmend (zu Recht!) Ansprüche an eine weiterbestehende optimale Lebensqualität, und der alternde Mensch bleibt heute viel länger aktiv als in früheren Zeiten. Seine medizinische Versorgung unterliegt ganz anderen und höheren Ansprüchen als früher! Die Alterspyramide bedeutet mehr medizinische Leistungen, also auch mehr (wenig traumatisierende!) Operationen!

Trotz dem oben gesagten muss kritisch hinterfragt werden, ob es nicht doch Bereiche gibt, in denen zu viel operiert wird. Ob unser heutiges Abrechnungssystem in der Praxis oder in der Klinik zu Operationen „motiviert“ und „verleitet“. Und selbstkritisch ist zu hinterfragen, ob „unethische“ Klinikverträge, die neuen Chefärzten aufgezwungen werden, ebenfalls zu einer Ausweitung der operativen Tätigkeit führen: wenn Steigerung der Operationszahlen oder Mindestzahl an operativen Eingriffen vorgegeben werden und die Existenz der Stelleninhaber von der Einhaltung solcher Rahmenbedingungen abhängig gemacht wird. Die Ärztekammern haben sich diesbezüglich schon vor längerer Zeit eindeutig gegen solche Verträge ausgesprochen. Sie werden wahrscheinlich in Zukunft keine wesentliche Rolle mehr spielen.

Es ist keine neue Erkenntnis – sie wurde aber jetzt auf dem Symposium neu angesprochen: für eine exakte Indikationsstellung für Operationen ist es notwendig, dass ein kompetentes Wissen vorliegt, wie lange eine bestimmte Erkrankung konservativ behandelt werden kann – und andererseits, wie die Erfolgsaussichten und die Risikolage einer ggfs. notwendigen Operation aussieht. Auf Grund der früher strikten Trennung zwischen ambulanter / konservativer Behandlung und stationär / operativer  Behandlung fand keine ausreichend breite Wissensvermittlung für beide Behandlergruppen statt: die konservativen niedergelassenen Ärzte und die operativ tätigen Klinik-Ärzte hatten eine sehr selektive Wahrnehmung bestimmter Krankheitsbilder und ihrer Therapie – und deshalb war der Übergang von konservativer zu operativer Behandlung kein „fließender“. Die Experten der Podiumsdiskussion haben deshalb die Forderung gestellt, dass es sinnvoll wäre, in Zukunft Zentren zu etablieren, in denen die konservative und operative Behandlung gleichzeitig nebeneinander existiert und die jeweiligen Experten sozusagen als Team die Indikation für eine Operation gemeinsam stellen. Günstig wäre sicherlich gleichzeitig, wenn die konservativ und operativ tätigen Ärzte und Abteilungen gleichermaßen am wirtschaftlichen Gewinn beteiligt sind, so dass weder die konservative Therapie noch die operative Therapie aus irgendwelchen wirtschaftlichen Gründen „favorisiert“ wird.

Auf diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, dass seit etlichen Jahren das Belegarztsystem in Deutschland zunehmend in Kritik kommt und in vielen Bundesländern weit unterrepräsentiert ist. Darüber hinaus gibt es politische Richtungen, die das Belegarztwesen zugunsten der hauptamtlich stationären Abteilungen zunehmend einengen bzw. eliminieren wollen. Gerade das belegärztliche System realisiert die oben gestellte Forderung, dass die ambulante konservative und stationäre operative Tätigkeit in einer Hand ruht: Belegärzte führen Praxen, in denen sie ihre Patienten, diagnostizieren und konservativ behandeln – und sie sind gleichzeitig die Spezialisten, die dann bei der Notwendigkeit einer Operation die Patienten in ihre Belegabteilung einweisen und sie dort dann auch selbst operieren. Konservativ und operativ bleibt hier in einer Hand.

Was in den öffentlichen Diskussionen, die im Augenblick sehr „populistisch“ gegen das Operieren geführt wird, häufig nicht beachtet wird, ist:

1. Die Frage: inwieweit eine ambulante konservative Behandlung „vollständig ausgereizt“ ist

2. Die Frage: des richtigen Operationszeitpunktes

3. Die Frage: was sind die negativen Folgen, einer zu späten oder gar nicht erfolgten   Operation.

Hier spielt natürlich die Installation der „nationalen Versorgungsleitlinien“ (NVL) eine große Rolle. Sie geben in weiten Bereichen das therapeutische Procedere vor!

Und darüber hinaus spielt eine wesentliche Rolle, inwieweit Evidenz basierte (EBM) statistisch signifikante Untersuchungen vorliegen, die z.B. ein klares Handlungskonzept an die Hand geben, ab wann operiert werden muss.

Experten hatten zu diesem Thema Vorträge gehalten: dass ein Bandscheibenvorfall, der nicht konservativ zufriedenstellend behandelt werden kann, innerhalb von zwei bis 3 Monaten operiert werden soll, damit keine Chronifizierung der Schmerzen auftritt und darüber hinaus die Prognose der Operation sich nicht verschlechtert: auch die Geschwindigkeit der Heilung kann vom Operationszeitpunkt abhängig sein (Notfälle, wie Lähmungen, unerträgliche Schmerzen… sind von solchen Überlegungen natürlich ausgenommen.)

Insgesamt muss dieses Podiumsgespräch als eine sehr gelungene und sehr lebendige Diskussion angesehen werden. Sie ist der Präsidentin dieses Kongresses, Frau Professor Andrea Meurer zu verdanken, die auf dem diesjährigen Kongress neue Themen zur Diskussion stellen wollte – und auch die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge darstellen wollte. Frau Professor Meurer ist die erste weibliche Präsidentin in der Geschichte der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen: wir gratulieren ihr zu diesem erfolgreichen Kongress und den ausgesprochen interessanten und innovativen Fragestellungen.

Dr. med. Peter J. Kaisser

Bericht über den Kongress der Vereinigung der Süddeutschen Orthopäden und Unfallchirurgen vom 01.05. bis 03.05.2014 in Baden-Baden

Der diesjährige Orthopädenkongress vom 01.05. bis 03.05.2014 (Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen e.V.) in Baden-Baden umfasste zahlreiche Themen neben den beiden Podiumsdiskussionen, die in gesonderten Artikeln dargelegt worden.  Es wurde von mir bereits in zahlreichen früheren Veröffentlichungen beschrieben, wie degenerative Wirbelsäulenerkrankungen heute therapeutische anzugehen sind. Dabei spielt die Frage der „Evidenz basierten“ therapeutischen Maßnahmen eine große Rolle, und in diesem Zusammenhang natürlich die nationalen Versorgungsleitlinien (NVL), die als Richtlinien, jedoch nicht als zwingende Verbindlichkeit, etabliert worden sind.

Die Referenten unterschieden sehr streng zwischen dem unspezifischen und spezifischen Rückenschmerz. Darüber hinaus wurde auch von den Referenten dargelegt, dass das in den Leitlinien geforderter „nihilistische Abwarten“ häufig nicht zum erwünschten raschen Erfolg führt, und darüber hinaus häufig den Erwartungen des Patienten nicht entspricht. Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Patienten, die „soziale Kosten der Allgemeinheit“ sind, im Auge behaltend muss man sich als Therapeut darüber im Klaren sein, die Patienten möglichst schnell in einen schmerzarmen oder schmerzfreien Zustand zu versetzen. Damit verkürzt sich auch die Dauer der Arbeitsunsfähigkeit.

Ein weiteres Thema waren die wirbelsäulennahen Injektionen – insbesondere hier die Frage, inwieweit die Allgemeinkassen die zusätzliche Applikation von kleinsten Beimengungen an Kortison, was einer Wirkungsverstärkung entspricht, übernehmen. Es handelt sich um einen sogenannten Off-label-use  – und deshalb sind die Allgemeinkassen nicht bereit, diese Injektionen zu bezahlen.

Die zweite Frage stellte sich bezüglich der Applikationsart: diese Injektionen können unter bildgebender Hilfe (Bildwandler, NMR, CT) appliziert werden – dies stellt jedoch eine zusätzliche finanzielle und ggfs. auch Röntgenbelastung dar. Die meisten Orthopäden haben diese Injektionen aus der Schule von Professor Krämer / Universität Bochum so erlernt, dass sie auf Grund von bestimmten „Landmarks“ diese Injektionen zielgenau an der Wirbelsäule durchführen können, ohne dass hierfür zusätzlich Röntgenstrahlen und bildgebende Großgeräte benutzt werden müssen.

Aus Sicht der IGOST (Internationale Gesellschaft für orthopädische Schmerztherapie) – und dies deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung – sollten diese aufwendigen Verfahren nur dann eingesetzt werden, wenn auf Grund überdimensionaler Körperdicke, aber auf Grund von schwerwiegenden Deformieren an der Wirbelsäule eine zielgenaue Injektion nicht möglich ist – oder, falls mit kleinsten Mengen dieser Lokalanästhetika punktgenau die Ursache des Schmerzes an einer exakt definierten Stelle ausgeschaltet werden muss, z.B. zu diagnostischen Zwecken. Periduralinjektionen an der Lendenwirbelsäule bedürfen überhaupt keiner bildgebenden Hilfe. Hier gibt es die ebenfalls von Krämer propagierte Injektion zwischen den Dornfortsätzen – mit einem Loss-of-resistance nach Passage der großen Bänder an der Wirbelsäule, so dass anschließend das Gemisch aus Lokalanästhetikum und Kortison sicher in den Spinalkanal eingeträufelt werden kann, um dort die Entzündungshemmung und Abschwellung der weichteiligen Strukturen zu erwirken, wie dies z. B. bei Bandscheibenvorfällen oder Spinalstenosen erwünscht ist.

Interessanterweise haben sich bei den Wirbelsäulenoperationen ähnliche Ergebnisse bei Langzeituntersuchungen gezeigt, wie bei den Hüft- und Kniegelenksoperationen: die miniinvasiven Zugänge bzw. microchirurgischen Operationen führen zu keinem besseren Ergebnis als die herkömmlichen Ops – maximal ist der Heilungsverlauf in den ersten Tagen / Wochen nach der Operation etwas beschleunigt. Die Langzeitergebnisse sind exakt die gleichen. Nachteil der miniinvasiven Eingriffe kann aber eine manchmal sogar längere Operationszeit und gelegentliche sogar höhere Komplikationsrate sein.

(Auch bei der Frage der endoskopischen Spaltung des Karpaltunnels zeigt sich eine ähnliche Beobachtung: die perkutan endoskopische Karpaltunnelspaltung ergibt auf Dauer keine besseren Ergebnissen als die offen durchgeführten Karpaltunnelspaltungen. Die Lernkurve solcher Mini-Eingriffe ist lang. Die Ausbildung aufwendig. Man benötigt viele Fallzahlen und eine große Erfahrung: möglicherweise mit zusätzlichen Risiken während der Operation und während des Lernprozesses.)

Ähnliches wurde von der Kyphoplastie und der Vertebroplastie bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen berichtet: auch hier sind die ersten Tage und Wochen, die bei konservativer Behandlung der Patienten häufig noch sehr schmerzhaft sind, rasch und nachhaltig schmerzarm oder schmerzfrei – die langfristigen Untersuchungen ergeben dann, unabhängig von der Frage der Aufrichtung des komprimierten Wirbelkörpers, keine signifikanten Unterschiede in den Ergebnissen.

Viele Vorträge wurden über Knieendoprothetik und Hüftendoprothetik gehalten. Auch hierüber habe ich mehrfach berichtet. Entscheidend ist weiterhin, dass es bezüglich der Rotationseinstellung des Knieimplantates noch immer gewisse Unsicherheiten der zu wählenden „Landmarks“ gibt. Möglicherweise werden in Zukunft die Navigationshilfe oder die individuell zugerichteten Schnittblöcke von präoperativ durchgeführten Hüft-, Knie- und Sprunggelenks-CTs uns weiterbringen: Die Schnittblöcke werden individuell auf dem Boden von CTc gefertigt.

Eine interessante Sitzung erfolgte mit zwei Kapitänen der Lufthansa: Sicherheit im Cockpit und im OP. Hier wurde dargelegt, dass Checklisten und routinierte Sicherheitsabfrage eine große Hilfe zur Gewährleistung der „Sicherheit“ darstellten – jedoch längst nicht ausreichend sind. Die Sicherheitsstandards konnten in der Luftfahrt dadurch erhöht werden, dass neben Auswahl, Training, fachlicher und sozialer Kompetenz, eine „offene“ und gleichzeitig anonyme Bearbeitung von Fehlern, Komplikationen und Gefahrenmomenten erfolgt: Fehler werden nicht mit „Bestrafung“ geahndet, sondern sind Grundlage einer Strategieentwicklung, wie solche Fehler in der Zukunft vermieden werden können. Jeder Mitarbeiter der Airline, insbesondere natürlich die Flugkapitäne, sind angehalten, Fehler und Risiken bei einer absolut integren Vertrauensperson, die der Schweigepflicht unterzogen ist, zu melden. In einem persönlichen, die individuelle Person schützenden Gespräch wird dann Ursache, Verlauf und Konsequenz der fehlerhaften Handlung besprochen und in die zukünftigen Sicherheitschecks mit eingearbeitet. Jedem, der eine Selbstanzeige stellt, wird versichert, dass dies keinen Einfluss auf seine berufliche Karriere hat, also jede „punitive“ Konsequenz einer solchen Meldung ist ausgeschlossen. Ein interessanter – und offensichtlich gut funktionierender Denkansatz. Durch diese Maßnahmen ist der Sicherheitsstandard der „guten“ Fluglinien weltweit um einen nochmaligen Faktor „100“ erhöht worden. Im Durchschnitt gäbe es je zwei Millionen Flüge einen Unfall. Die Sicherheit kann durch derartige proaktive Maßnahmen deutlich verbessert werden.

Insgesamt war der Orthopädenkongress in Baden-Baden wieder sehr informativ, bestens organisiert und durch den erstmaligen Vorsitz einer Frau (Frau Professor Andrea Meurer) mit anderen Themen „on top“ bereichert: Ein wirklich erfolgreicher Kongress!!

Dr. med. Peter J. Kaisser