Der Referent, Professor Dr. med. Reiner Bartl, referierte vor dem Schwabinger Ärztezirkel am 22.01.2015:
Prof. Dr. Bartl war als Osteologe (Spezialist für Knochenstoffwechselerkrankungen) am Klinikum Großhadern tätig und hat intensiv über die Probleme von Stoffwechselerkrankungen des Knochensystems gearbeitet. Insbesondere natürlich über das Thema der Osteoporosen.
Im Rahmen des oben angeführten Themas wurde schwerpunktmäßig jetzt das Krankheitsbild der Knochenödeme, Osteonekrosen und des Bone bruise bearbeitet. Unterschiedliche Ursachen führen zu Knochenödemen, die man in früheren Zeiten als es nur die radiologische Darstellung von Knochen gab, nicht erkennen konnte. Erst mit der Kernspintomographie wurde das Erscheinungsbild von Knochenödemen erkannt – und entsprechenden Beschwerdebildern unserer Patienten zugeordnet.
Ursächlich für die Knochenödeme im weitesten Sinne sind Überlastungssyndrome, z. B. bei Sportlern oder bei untrainierten Patienten, die sich einer größeren Belastung aussetzen müssen. Überlastungssyndrome bei Fehlstellungen. Überlastungssyndrome bei extremen sportlichen Betätigungen.
Knochenödeme werden häufig nach geringen und mittelgradigen Traumata gesehen, natürlich auch bei stärkerer Traumatisierung von Knochen und Gelenken – hier kommt es aber dann häufig zu Frakturen des Knochens.
Weitere Ursachen für Knochenödeme können verschiedene Knochentumore und -Metastasen sein.
Auch gibt es „idiopathische“ Formen der Knochenödeme, deren Ursache nicht bekannt ist. Auch während der Schwangerschaft können Knochenödeme auftreten, wahrscheinlich durch humorale und hormonelle Entzündungsmediatoren getriggert.
Bei den traumatischen Knochenödemen ist davon auszugehen, dass gleichzeitig kleine Microfrakturierungen der Knochenbälkchen vorhanden sind, die jedoch als solche häufig weder radiologisch noch computertomographisch noch kernspintomographisch nachzuweisen sind.
Auch benachbarte entzündliche Erscheinungen, die meistens über Zytokine vermittelt werden, sind als Ursache für die Knochenödeme anzusehen: so z. B. an der Wirbelsäule bei den erosiven Osteochondrosen. Diese Reaktionen der Wirbelkörper auf degenerativ entzündliche Veränderungen der Bandscheiben sind häufig bei unseren Patienten anzutreffen: und mit großer Wahrscheinlichkeit in vielen Fällen auch Ursache der Beschwerdesymptomatik. (Es handelt sich hierbei nicht um eine Reaktion im Rahmen einer bakteriellen Entzündung – sondern nur um Reizzustände, die in den allermeisten Fällen nichts mit Bakterien zu tun haben!)
Professor Bartl machte klar, dass zumindest im Gelenkbereich die Knochenödeme häufig von den ehemaligen Wachstumsfugen ausgehen. Hier gibt es ebenfalls Entzündungserscheinungen, die über Zytokine transportiert werden. Es kommt zu einer Aktivierung der Osteoklasten (knochenabbauende Zellen), während der Knochenaufbau meist unverändert von statten geht. Insofern kommt es jedoch zu einer Dysbalance bzgl. Knochenaufbau und Knochenabbau – so wie wir dies bei der Osteoporosen kennengelernt haben.
Deshalb, sind die Knochenödeme auf Grund der Ähnlichkeit von Stoffwechselveränderungen bei den Osteoporosen – rein erfahrungsmedizinisch basiert- der Behandlung mit speziellen Osteoporosepräparaten zugänglich. Es handelt sich hier nicht um die normalen in Tablettenform eingenommenen Medikamente – sondern vielmehr um spezielle hochdosierte Infusionen: Osteoporosemedikamente, die zu der Gruppe der Bisphosphonate gehören.
Bei allen oben genannten Krankheiten hat sich erwiesen, dass Ibandronat-Infusionen (1x 6mg oder 2x 3mg) per Infusionen alle 2-3-4 Wochen in einer Serie von 3-maliger Gabe als extrem wirksam eingestuft werden können.
Die Gabe von Ibandronat ist ein „off-label-use“ und wird deshalb von den Allgemeinkassen nicht übernommen. Im Normalfall wird es von den Privatkrankenkassen bezahlt. Bei der BG muss ein gesonderter Antrag gestellt werden.
Kontraindiziert ist Ibandronat bei Niereninsuffizienzen und bei anamnestisch bekannter Kieferknochennekrose. Auch sollte das Ibandronat nicht gegeben werden, wenn Eingriffe an den Kieferknochen, z.B. mit Implantaten geplant sind, um das Risiko einer Kiefernekrose zu minimieren.
Grundsätzlich wird zusätzlich Vitamin D (2000 Einheiten pro Tag) gegeben. Kalziumsubstitution erfolgt nur bei entsprechender Mangelernährung oder niedrigem Kalziumspiegel. Während der Behandlung sollte eine schmerzadaptierte Entlastung erfolgen (normalerweise in einem Zeitraum zwischen 4-6 Wochen).
Die Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass nach diesen Infusionen sehr selten, aber gelegentlich doch grippeähnliche Symptome wie Schüttelfrost oder Fieber für 2-3 Tage auftreten können. Dies ist vollständig harmlos. Der Patient sollte nur darauf hingewiesen werden, dass diese Symptome auftreten können, damit keine unnötige Beunruhigung bei Patienten oder seinen Angehörigen entsteht.
Auch müssen die Patienten darüber aufgeklärt werden, dass es sich um einen „off-label-use“ handelt. Das heißt: die Zulassung des verwendeten Medikamentes ist für andere Krankheitsbilder vorgesehen. Es hat sich jedoch nach der Zulassungsgenehmigung herausgestellt, dass dieses Medikament auch bei anderen (z.B. die oben genannten „Knochenödeme“ wirksam ist). Aus haftungsrechtlichen Gründen ist eine solche Information des Patienten notwendig.
Dr. med. Peter J. Kaisser