(Medizinische) Versorgung von Flüchtlinge und Asylanten

Durch enge Kontakte zum Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration und anderen Institutionen in München, hat sich der Eindruck verstärkt, dass das Flüchtlingsproblem in unserer Stadt noch wesentlich größer ist, als wir regelmäßig aus Radio, Fernsehen und Presse entnehmen können.

Nachdem Deutschland und seine Bewohner in nicht allzu ferner Vergangenheit sowohl als hilfeleistendes wie auch als hilfesuchendes Land „Flüchtlings-Erfahrungen“ sammeln musste, erscheint es mir richtig und konsequent, wenn wir uns auch heute fragen, inwieweit wir einen (medizinischen) Beitrag zur Bewältigung des Flüchtlingsproblems leisten können.

Es geht um Flüchtlinge, die auf Grund (staatlicher) Gewalt aus ihren Ländern fliehen müssen, um ihr Leben und das Leben ihrer Angehörigen zu retten. Es geht nicht um „opportunistische Immigranten“, die primär ihr „wirtschaftliches Glück“ in Deutschland versuchen wollen. (Natürlich – das ist mir klar: Asylanten und „sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge“ sind nicht immer ganz scharf voneinander zu trennen.)

Neben dem Bayerischen Staatsministerium kümmern sich auch andere Institutionen um die Probleme von Flüchtlingen und insbesondere um deren minderjährige Kinder, die ohne Eltern hier in unserer Stadt ankommen: Residenztheater und Kammerspiele, sowie die jeweiligen Förderkreise dieser Theater haben sich diesem Thema gewidmet; darüber hinaus sind auch verschiedene rotarische Clubs aktiv geworden. Auch Rotaract steht hilfsbereit zur Verfügung.

Die „SchlaU-Schule“ ermöglicht Flüchtlingskindern in München einen qualifizierten Abschluss, um somit deren Integration sowie deren Berufs- und Lebenschancen in Deutschland zu verbessern und sie gleichzeitig vor dem Abtriften in ein kriminelles Milieu zu bewahren. Ich habe einen Teil dieser Kinder und Jugendlichen selbst treffen können: es sind hoffnungsvolle junge Menschen, mit dem dringenden Wunsch, das Beste aus ihrem Leben zu machen, sich mit der deutschen Kultur auseinander zusetzen und hier eine neue stabile Plattform für ihr Leben zu gewinnen, in dem sie sich ernsthaft um ihre Ausbildung und berufliche Qualifikation kümmern.

Die Abgänger aus der „SchlaU-Schule“ (www.schlau-schule.de) könnten auch für uns Ärzte und andere Institutionen, wie z. B. die Kliniken oder Theater interessant sein: für qualifizierte Abgänger werden dringend Azubi-Stellen gesucht. Viele von uns bieten Ausbildungsstellen für Azubi zum/zur Medizinischen Fachangestellten an: warum nicht bewährte und qualifizierte junge Leute aus der „SchlaU-Schule“ nehmen!?

In einem zweiten Bereich könnten wir tätig werden: es werden dringend Ärzte (Internisten und Hausärzte) gesucht, die medizinische Untersuchungen für die ankommenden Flüchtlinge durchführen – am besten vor Ort in der Bayernkaserne. Auch gynäkologische, pädiatrische und psychologische/psychiatrische Untersuchungen und Patientenversorgung sind dringend gefragt und benötigt.

Die Röntgenreihenuntersuchungen (Thoraxübersichtsaufnahmen) werden

durch gesonderte Teams bereits  abgedeckt, so dass zusätzliche Hilfe hier derzeit nicht benötigt wird. Für die normalen diagnostischen Röntgenuntersuchungen haben wir bereits unsere Röntgenanlage in unserem Ärztehaus „LMC“ zur Verfügung gestellt.

Meine letzte Information aus dem Sozialministerium: das „Ärztenetz Dr. Wendeborn“ ist  offiziell vom Sozialministerium beauftragt worden, die Organisation vor Ort in der Bayern-Kaserne zu übernehmen. Von der Regierung von Oberbayern werden zwei Arzthelferinnen zusätzlich gestellt. Das ist schon einmal eine große Erleichterung. Die Kollegen aus unserem Ärztezirkel und aus unserem Ärztehaus könnten sich dort dann entsprechend einbringen. Die Organisation dürfte damit gewährleistet sein und die entsprechenden Räumlichkeiten sind großteils bereits zur Verfügung gestellt. Im Augenblick ist geplant, dass für die ärztliche Untersuchung ein Stundensatz von ca. 100,00 Euro von der Regierung von Oberbayern vergütet wird – also keine Verrechnung über die KV! Keine Belastung des Budgets! Und auch Kolleginnen und Kollegen ohne KV-Zulassung können sich somit einbringen und anmelden.

Es haben sich inzwischen schon erfreulich viele Kolleginnen und Kollegen – sowohl Hausärzte und Internisten, wie auch Fachärzte – für unsere medizinische „Flüchtlings- und Asylantenhilfe“ gemeldet. Es ist in der Zwischenzeit bereits eine gewisse strukturelle Verbesserung eingetreten ist. Es gibt in der Bayernkaserne bereits zwei ärztliche Untersuchungszimmer. Nächste Woche sollen zusätzlich zwei Container angeliefert werden, die die medizinische Versorgung / Eingangsuntersuchung der Flüchtlinge verbessern soll.

Wir haben in diversen Gesprächen nochmals betont, dass wir keine „neue Organisation“ oder „infrastrukturelle Schiene“ initiieren wollen, sondern vielmehr unsere Arbeitskraft als Ärzte, unsere Praxen und unsere technischen Möglichkeiten der bestehenden Infrastruktur auf Abruf anbieten wollen.

Neu ist, dass jetzt mehr Fachärzte benötigt werden als ursprünglich gedacht. Insofern gilt also der Aufruf auch an die Fach-Kollegen, ggfs. ihr fachärztliches Know-how und die apparativen Untersuchungsmöglichkeit im Rahmen ihrer Praxis bei Bedarf zur Verfügung zu stellen: eine große Hilfe für die in der Bayernkaserne tätigen Kollegen wäre, wenn die entsprechenden Praxen relativ großzügig rasche Termine für diese Untersuchungen anbieten könnten, da die Flüchtlinge häufig mit Begleitperson in die Praxis kommen und darüber hinaus die Weitervermittlung der Flüchtlinge in andere, nicht zentrale Unterkünfte nur nach entsprechender medizinischer Untersuchung möglich ist. Nur so lässt sich der Flüchtlingsstrom in der Zentrale München und insbesondere in der Bayernkaserne einigermaßen vernünftig steuern – Sie haben alle sicherlich der Presse entnommen, dass jedoch hier bereits eine gewisse „Entspannung“ eingetreten ist.

Schwerpunktmäßig werden derzeit folgende Fachrichtungen zusätzlich gesucht:

Augenärzte, HNO, Zahnärzte, Psychiatrie / Traumapsychologen, ggfs. plastische Chirurgie, Radiologen.

Alle Kollegen, die sich an der Versorgung beteiligen wollen, melden sich bitte persönlich und direkt unter folgender e-mail Adresse an: dienstplan@refudocs.de

Dort werden allen Kollegen Dienstzeiten angeboten, die sie individuell nach deren persönlichen Möglichkeiten und Gegebenheiten auswählen können.

Ich würde mich freuen, wenn einige der Kolleginnen und Kollegen sich mit uns gemeinsam engagieren wollten und freue mich in diesem Fall auf deren Rückmeldung und auf eine gute, erfolgreiche Zusammenarbeit.

Auch die SchlaU-Schule hat sich nochmals erneut gemeldet. Zudem wurde ein fünfstelliger Betrag von Rotary gesammelt und übergeben.

Es werden folgende Kooperations-Programme intensiviert und fortgeführt:

  1. Schaffung von Azubi-Stellen in Praxen, Kliniken und Theatern.
  1. Klassenkasse am Residenztheater (zum kostenlosen Besuch von „geeigneten“

Theatervorstellungen).

3.  Gemeinsame workshops im Bereich der Produktion von Theaterstücken, Regie,

Bühnenbild, schauspielerisches Talent, Pantomime,…. Lesungen zur Sprach- und

Verständnisförderung.

4.  Ggfs. Hausaufgabenbetreuung.

5.  Ggfs. Dolmetscher-Funktion von Asylantenkindern, die die deutsche Sprache bereits einigermaßen gut beherrschen.

Fazit: Es ist schon Vieles in der Versorgung des Asylanten organisiert und getan worden – es bleibt aber weiterhin noch vieles zu tun. Lassen Sie uns dies gemeinsam angehen!

Dr. med. Peter J. Kaisser