Nachwuchsmangel in den medizinischen Berufen – und was man unter anderem dafür tun kann!

Wie jedes Jahr beteiligte sich Dr. Kaisser auch dieses Jahr an der rotarischen  Informationswoche für Oberschul- und Gymnasialabgänger zur Berufsberatung. Dies ist eine Veranstaltung, die seit vielen Jahren von den Rotary Clubs München gemeinsam organisiert wird unter der Leitung von Prof. Dr. rer. nat. Hubertus von Dewitz. Es handelt sich um eine Informationswoche, in der in einem breiten Spektrum akademische Berufe dargestellt werden. Es ist eine Veranstaltung, die seit vielen Jahren in zunehmendem Umfang bei Schülern von Oberschulen, Realschulen und Gymnasien Anklang findet, so dass in diesem Jahr allein an dem Tag der „medizinischen Berufe“ (Mittwoch, 12.02.2014) ca. 200 interessierte und wissbegierige Schüler/-innen betreut werden konnten.

Aus der Medizin wurden folgende Berufe vorgestellt: Physikalische Medizin, Rehabilitative Medizin, Orthopädie, Allgemeine Chirurgie, Gynäkologie, Kinderchirurgie, Kinderurologie, Psychiatrie / Psychotherapie, Allgemeinmedizin, Zahnmedizin, Apparatemedizin/Mikroelektronik, Pharmazie / Krankenhausapotheke.

Die verschiedenen Repräsentanten von Rotary beschrieben ihren beruflichen Werdegang und ihre berufliche Tätigkeit in kurzen Referaten, so dass anschließend von den Schülern Fragen gestellt werden konnten, die ihnen helfen sollten, die Entscheidung für die Wahl eines Berufes aus dem medizinischen Bereich leichter und sicherer zu fällen.

Interessant war, dass es sich um ca. 75% weibliche und „nur“ 25% männliche Berufsaspiranten handelte – ein Bild, wie es sich sowohl an den Universitäten wie auch an den Ausbildungskliniken seit etlichen Jahren zeigt: der medizinische Beruf wird in wesentlich stärkerem Ausmaß von Frauen als von Männern gewählt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass – die Statistiken weisen dies so aus – weibliche Jugendliche in der Schule strebsamer und zielorientierter sind als die  „Jungs“ und damit die besseren Abiturnoten erreichen, die ja ein wesentlicher Schlüssel zur Zulassung zum Medizinstudium darstellen.

Ein weiterer Grund hierfür dürfte aber auch die Tatsache sein, dass die Einkommen in der Medizin signifikant gesunken sind – also nach dem klassischen Bild „Männer, die für die Versorgung ihrer Familie hauptverantwortlich sind“ eher auf die Einkommensmöglichkeiten in den gewählten Berufen achten als dies bei der weiblichen Bevölkerung der Fall ist.

Auch dürfte die Zunahme der Medizinstudentinnen und Medizinerinnen damit in Zusammenhang stehen, dass die europäische Arbeitszeitregelung und die Atmosphäre an den Ausbildungskliniken sowie in medizinischen Praxen sich dahingehend geändert haben, dass Beruf und Familie eher miteinander vereinbar sind als dies in früheren Generationen der Fall war. Darüber hinaus zeigt sich auch bei den männlichen Studenten und Ärzten eine etwas höhere Bereitschaft zum Erziehungsurlaub als dies früher der Fall war. Auch gesellschaftlich ist ein solches Model heute eher akzeptiert.

Dies ändert aber nichts an der Grundtatsache, dass auf Grund der zahlreichen Fragen der Berufsaspiranten/-innen klar wurde, dass weiterhin ein großer Respekt vor der Arbeitsbelastung in Ausbildung und Beruf des Mediziners besteht: Wie stark ist die zeitliche Belastung? Die körperliche Belastung? Und die psychologische Belastung? Wie sind die Berufsaussichten? Und wie sieht es im Führungsgremium einer Klinik aus? Wie streng ist die hierarchische Ordnung in den Kliniken?

Ebenso wurde sowohl von den weiblichen wie von den männlichen Aspiranten hinterfragt, wie Arbeitsverhältnisse, Einkommensverhältnisse und Karrieremöglichkeiten in dem Bereich der „niedergelassenen Medizin“ ggfs. in Kombination mit operativer Tätigkeit an so genannten Belegarztkliniken und ambulanten OP-Zentren zu sehen sind.

Von besonderem Interesse für die jungen Schülerinnen und Schüler war die Frage des Numerus clausus (NC) – und wie dieser zu umgehen ist. Viele Informationen wurden gegeben über Möglichkeiten des Studiums im Ausland. Zusätzliche Möglichkeiten des Studiums an Privatuniversitäten. Zusätzliche Praktika und „medizinnahe“ Berufsausbildungen, die möglicherweise zu einem zusätzlichen Punktebonus führen, der den Numerus clausus um bis zu 0,3 Punkte verbessern kann.

Breiten Raum nahm in der Diskussion die Frage von Auslandsaufenthalten ein, insbesondere unter dem Aspekt, dass Dr. Kaisser und andere beteiligte Rotarier über derartige Aufenthalte während und nach ihrer Ausbildung berichten konnten. Dr. Kaisser war nach seiner Facharztausbildung in Deutschland für 2 ¼ Jahre an zwei der größten amerikanischen Universitäten in New York: Columbia University und Cornell University (Hospital for Special Surgery und Columbia Presbyterian Medical Center).

Von Seiten der Schüler bestand eine große Angst bezüglich der sprachlichen Hürde im Ausland. Darüber hinaus wurde die Frage nach den Voraussetzungen gestellt, damit man überhaupt im Ausland medizinisch / klinisch arbeiten darf. Natürlich ist – wie immer, wenn Menschen in ein fremdes Land kommen – die sprachliche Basis eine Grundvoraussetzung, um eine optimale Ausbeute einer Auslandsausbildung zu gewährleisten. Hier sollten gute sprachliche Grundkenntnisse vorhanden sein – und insbesondere sollte sehr gezielt in den ersten Wochen und Monaten daran gearbeitet werden, die sprachliche Kompetenz zu vervollständigen: je besser die sprachliche Verständigung ist, umso größer ist auch der Lerneffekt für den Auszubildenden. Dazu gehört, dass man sich primär sowohl im beruflichen wie auch im gesellschaftlichen Bereich in Gruppen bewegt, die die geforderte Fremdsprache perfekt beherrschen. Auch im privaten Bereich sollte man möglichst viel „die Fremdsprache“ einsetzen, um nicht permanent in die Gewohnheiten der eigenen Heimatsprache zurück zu verfallen. Die sprachliche „Lernkurve“ verbessert sich damit signifikant.

Auslandsaufenthalte können unter verschiedenen Aspekten geplant und realisiert werden

–        es gibt Universitäts- und Ausbildungskliniken, die Kooperationsverträge mit ausländischen Kliniken haben.

–        Man kann sich selbständig an fremden Kliniken bewerben – man sollte dies nach Möglichkeit persönlich mit entsprechenden Empfehlungsschreiben tun.

–        Darüber hinaus gibt es von vielen Institutionen sogar finanziell geförderte Austauschprojekte: zum Beispiel: Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD), Rotary-Stipendien, Leibniz-Stipendien, Erasmus-Stipendien…

Generell gibt es mehr Stipendien als Stipendien-Bewerber!

In jedem Fall ist es wichtig: wer im Ausland klinisch Patienten betreuen möchte, benötigt hierfür je nach Land verschiedene Grundvoraussetzungen: Visum, Arbeitserlaubnis, ggfs. ausländisches Staatsexamen…

Dr. Kaisser absolvierte nach dem deutschen Staatsexamen auch das amerikanische Staatsexamen – nur auf dieser Basis war eine klinische Tätigkeit mit Patientenkontakt möglich. Anderenfalls wäre nur eine Labortätigkeit oder theoretische Forschungstätigkeit möglich gewesen.

Generell konnten die jungen Schülerinnen und Schüler dahingehend motiviert werden, eine gewisse Zeit ihrer Ausbildung (z.B. Praktikum, Famulatur, …) oder eine spätere ärztliche Tätigkeit nach dem deutschen Staatsexamen (fellowship)  im Ausland anzustreben – ein nicht zu ersetzender Erfahrungsgewinn für die spätere berufliche Tätigkeit!! Darüber hinaus ist es aber auch ein Kennenlernen anderer pädagogischer Systeme (insbesondere im angloamerikanischen Raum!!!), die mit sehr viel mehr Motivation und sehr viel mehr Teamgeist funktionieren: Hier werden andere Kommunikationstechniken vermittelt! Eine andere Denkweise! Ein anderes „wiederum in sich geschlossenes gesellschaftliches und pädagogisches System“!!

Darüber hinaus ermöglichen Auslandsaufenthalte das Kennen- und Schätzenlernen von fremden Kulturen, ermutigen zur multikulturellen Unvoreingenommenheit und stellen einen wichtigen Beitrag dar, dass eine neue Generation sich den Anforderungen einer globalisierten und multikulturellen Gesellschaft stellt und eine entsprechende „Brückenfunktion“ wahrnimmt. Auch dies ist ein Teil der rotarischen Ziele – nicht zuletzt deshalb stellt Rotary auch entsprechende Stipendien und Austauschprogramme für Jugendliche, Studenten und Berufsanfänger zur Verfügung.

Insgesamt gesehen war dieser Nachmittag hoch interessant und sehr effektiv: die bereits im Beruf stehenden Rotarier haben viel über die Denkweise unserer Jugend gelernt. Und wir können getrost feststellen, dass es auch heute viele hochintelligente, hochmotivierte und  strukturierte junge Schülerinnen und Schüler gibt, die ernsthaft ihre berufliche und gesellschaftliche Verantwortung im Auge haben. Und wir hatten auch den Eindruck gewonnen, dass die zu unserer Beratung gekommenen Jugendlichen mit ein bisschen mehr Wissen, Selbstvertrauen und realistischen Zukunftsperspektiven nach Hause gegangen sind. Vielen von ihnen werden wir Praktika in unseren Betrieben, Praxen, Kliniken, Krankenhausapotheken, … anbieten. Die Erfahrung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass diese Praktika sehr gerne angenommen werden und mit großem Erfolg auch abgeschlossen werden.

Dr. med. Peter J. Kaisser